Die Hellfrost-Nachwuchsrunde (9)

Die Pferde am Zügel, folgen wir dem Pfad bergan, und nach vielleicht einer Viertelstunde Anstieg haben wir den Haugsreir direkt vor uns. Doch als wir näherkommen, bemerken wir, dass irgendetwas nicht stimmt: Ein Flügel des Burgtores steht ein Stück weit offen, und als wir herankommen, sehen wir gerade noch, wie eine menschliche Gestalt von jemandem ins Innere der Burg gezogen wird.
Mit einem wütenden Aufschrei stürmen Zwerg und Taigaelf, heldenhaft wie sie sind, vor zur Rettung; Yuka folgt mit ebenfalls gezogenem Schwert etwas bedächtiger und vorsichtiger, und Katelar sieht sich nach einem sicheren Ort um, von dem sie aus dem Hintergrund agieren kann. Die Burgmauer kommt ihr da gerade recht, und sie überlegt, ob sie wohl hinaufklettern könnte.

Drinnen bietet sich uns ein grausiges Bild. Hinter dem Tor beginnt nicht sofort der Burghof, sondern man steht erst einmal in einer Art überdachtem Gang, vielleicht vier Meter breit und zwanzig Meter lang. Und ein junger Oger ist gerade dabei, die Leiche, die er eben nach innen gezogen hatte, an der Wand hinzusetzen, wo schon eine weitere Leiche lehnt. Kleine bunte Steinchen sind wie von einem Spiel über den Boden verstreut. Die linke Wand ist mit Schießscharten besetzt, an der rechten Seite steht eine weitere Doppeltür halb offen, die in den Stall zu führen scheint. Aus dem Stall dringt ein widerwärtiger Geruch nach Blut und Verwesung.

Der halbwüchsige Oger bemerkt uns, brüllt auf und rennt keulenschwingend auf uns zu. Unglücklicherweise trifft gleich sein erster Hieb den Zwerg, der ja mit Carimus ganz vorne steht, ziemlich schwer, und auch der Taigaelf wird von diesem ersten Rundumschlag verwundet.
Aus dem Stall war ebenfalls ein grunzendes Brüllen zu hören gewesen, deswegen versucht Katelar, die Stalltür zu schließen, aber sie kann nur einen der beiden Flügel zuziehen, ehe der Verursacher des Brüllens – die Mutter des Ogerjungen – bereits im Türrahmen steht.

Überhaupt schlagen wir uns irgendwie deutlich weniger erfolgreich als in früheren Kämpfen. Grôman, durch seine Wunde stark beeinträchtigt, schafft es nicht, einen wirkungsvollen Eispfeil loszulassen, und unser Bogenschütze hat nach seinem ersten, in den Nahkampf gefeuerten Schuss auch keine richtige Möglichkeit, sich wieder aus dem Nahkampf mit dem Oger zurückzuziehen, nachdem dieser an ihn herangekommen ist, was ihn seiner wirksamsten Angriffe beraubt. Und auch die Schwertstreiche des Finnar wollen eine ganze Weile lang einfach nicht treffen oder, wenn sie treffen, die zähe Haut des Wesens durchdringen, obgleich Yuka ja als einziger bislang nicht verwundet wurde und die Reste der Erfrierungen vom Kampf gegen den Frostriesen ihn glücklicherweise nicht behindern – und obwohl der Oger durch den gleichzeitigen Kampf gegen drei Gegner eigentlich ziemlich abgelenkt ist.

Dann plötzlich wird der Magier erneut getroffen, schwer getroffen. Die Keule des Ogers landet mit voller Wucht in seinem Brustkorb, und der Zwerg sinkt besinnungslos, ja erstickend, zu Boden. Als er sieht, wie sein Kampfgefährte fällt, vergisst Yuka jede Vorsicht: Ohne auf seine Verteidigung zu achten, drängt er auf das Ogerjunge ein; vor allem aus Wut, aber auch, um Carimus die Chance zu geben, sich ungehindert kurz um Grôman kümmern und vielleicht das Schlimmste verhindern zu können. Und tatsächlich gelingt es dem Elfen in allerletzter Sekunde, den Zwerg in eine Lage zu drehen, in der er nicht erstickt, sondern mühsam wieder Atem schöpfen kann, auch wenn er zunächst weiterhin ohne Bewusstsein bleibt.

(Hier haben wir die Regeln ein ganz klein wenig gebeugt angepasst. Grôman war incapacitated und hatte seinen ersten Vigor-Wurf schon nicht geschafft. Den zweiten Vigor-Wurf, der laut Regeln am Anfang der nächsten Runde fällig war, schaffte er auch nicht, wäre also eigentlich gestorben. Aber wir beschlossen, das Ergebnis zwar stehen zu lassen, aber ein klein wenig nach hinten zu verschieben, bis zu seiner eigenen Aktionskarte. Denn so hatte Carimus, der vor Grôman drankam, wenigstens noch die Chance, mit einem Stabilisierungswurf den Zwerg zu retten – und das gelang ihm dann ja auch, trotz seiner eigenen, ziemlich schweren Verwundung. Das mag zwar nicht ganz regelkonform gewesen sein, aber für uns und in die Dramaturgie passte es einfach irgendwie besser.

Und eines ist mal klar: Carimus und Grôman sind jetzt quitt, die Scharte des Elfen von der Aktion aus dem Kloster hiermit offiziell ausgewetzt.)

Der Finnar bekommt die Bemühungen des Taigaelfen nur am Rande mit; er vernachlässigt weiterhin seine Deckung und schlägt mit voller Wucht auf den Oger ein. Katelar ist währenddessen mit dem Ogerweibchen beschäftigt, und schließlich gelingt es den dreien dann, die beiden Gegner auszuschalten.
Nun ist Zeit, sich eingehender mit dem schwerverletzten Zwerg zu beschäftigen. Finnar und Anari haben beide keine Heilfähigkeiten, die über die absolut rudimentärste Erste Hilfe hinausgehen, also ist es wieder an Carimus, sich um den Elementarzauberer zu kümmern. Und tatsächlich gelingt es ihm, den Zwerg soweit wiederherzustellen, dass er zu sich kommt und sogar wieder einigermaßen auf den Beinen ist. Allerdings hat der Keulenhieb des Ogers seinen Brustkorb wohl ziemlich dauerhaft eingedellt; irgendwie fühlt Grôman sich deutlich steifer und weniger beweglich als zuvor.

Dennoch besteht er (wunderschön ausgespielt) gegen Katelars vehement geäußerte Bedenken darauf, weiter in die Burg vorzudringen und die Gefangenen zu retten, die wir ja in Eisenfausts Kerker vermuten. Und überhaupt haben wir ja immer noch den Auftrag, uns hier umzusehen und herauszufinden, was los ist. Die Leichen jedenfalls sehen bei näherer Betrachtung nicht so aus, als hätten die Oger sie getötet; erstens sind sie anscheinend schon mehrere Tage lang tot, und zweitens haben sie keinerlei sichtbare Wunden, wie Ogerkeulen sie definitiv hinterlassen hätten, sondern nur einen Ausdruck tiefsten Entsetzens auf dem Gesicht. Wie es scheint, haben die beiden Oger lediglich die Gegebenheiten ausgenutzt. Also irgendetwas ganz, ganz Schreckliches ist hier vorgefallen: Um das zu wissen, braucht es eigentlich gar nicht Katelars und Grômans Sinn für Gefahr und das damit einhergehende Gefühl extremsten Unwohlseins an diesem Ort.
Das ist auch der Grund, warum die Diebin einfach nur fort will, aber wir beschließen dennoch, wenigstens den Kerker zu suchen und zu sehen, ob wir dort noch jemanden am Leben finden.

Wo wir hinkommen, liegen Leichen: im Burghof, zu dem sich der Gang nach einigen Metern ausweitet, in dem runden Turm, dessen Wendeltreppe wir nach unten folgen (oben wäre sicher auch interessant, aber wir wollen ja erst einmal in den Kerker, und die liegen üblicherweise unter der Erde) sowie in der Wachstube, wo Katelar einen an der Wand hängenden Schlüsselbund mitnimmt. Dessen Schlüssel öffnen uns die Tür zu einem weiteren, bislang verschlossenen Gang und dann auch die Kerkerzellen, die tatsächlich von diesem Gang abgehen.
In den Zellen finden wir wirklich einige Überlebende in teils jämmerlichem Zustand: eine dunkelhaarige, sehr attraktive Anari, voll panischer Angst und sehr ausgemergelt; zwei Engros, von denen sich einer als der vorerwähnte Miro entpuppt; ein Mensch, Juwelenhändler; dessen Leibwächter, der sein Schicksal, wie das bei solchen Kriegertypen üblich ist, stoisch auf seiner Pritsche liegend ertragen hat, um Kräfte zu sparen; sowie eine ziemlich wilde Tuomi-Kriegerin, die noch am fittesten von allen ist und uns beinahe an die Kehle gegangen wäre, ehe wir ihr klarmachen können, dass wir nicht zu Eisenfausts Leuten gehören.

Sie alle bringen wir nacheinander nach vorne in die Wachstube, verschließen die Tür zum Burghof, damit wir nicht überrascht werden, falls sich doch noch Gegner in der Burg befinden sollten, und versorgen die Befreiten als allererstes mit Wasser und Nahrung. Das große Ausfragen schieben wir vorerst auf, doch wir erfahren bereits, dass vor etwa drei Tagen plötzlich schreckliche Schreie zu hören waren, dann Stille, und dass die Gefangenen seit dieser Zeit nichts mehr zu essen und trinken bekommen haben.

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