Warnung für die Diaries zu „New Orleans – Tage des Teufels“:
Diese Geschichte ist ziemlich extrem, und auch ziemlich bitter. Es werden Themen wie Gewalt und Kindesmissbrauch angesprochen, und es kommt eine Vergewaltigung darin vor. Nicht explizit in den Diaries ausgesprochen, sondern nur angedeutet, aber diese Themen durchziehen die Geschichte. Ein oder zwei Sexszenen gibt es auch. Wer mit solchen Dingen ein Problem hat, sollte diese Beiträge vielleicht nicht lesen.
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Fast verpasse ich meinen Einsatz. Was soll ich nur tun? Sie sehen mich alle an. Vaters eisige Augen. Will er sehen, wie ich versage? Lauter blonde Mädchen, Audreys Freundinnen. Kichernd und schwatzend. Antoine, sein dunkler Blick im Schatten. Hinten an der Bar, das Raubtier Soléne.
Der einsame Mann. Audreys Daddy. Timothy. Starrt krampfhaft nach oben, um Vaters bohrenden Blicken auszuweichen. Ich verstehe, dass das Eis diesmal nicht mir gilt.
Ich hebe die Violine, als Audrey anfängt, zu singen. Meine Hände beginnen, über den Hals zu huschen, hierhin, dahin zu springen. Aber der Teufel kennt das Lied schon. Es ist doch schon seins. Er sucht eine andere Beschäftigung, spricht über Audrey, über Timothy. Über Will und die süßen, unschuldigen Mädchen im Publikum. Was er mit ihnen machen könnte.
Ich spiele schneller. Wilder. Alles, um den Teufel zurück zu locken. Unerwartete Töne, die sich nahtlos einfügen. Komm zu mir, rufen sie. Hör mir zu.
Schweiß läuft mir in die Haare. Das Publikum verschwimmt vor meinen Augen. Selbst Audreys Stimme ist nur ein dünnes, schwaches Dröhnen. Nur ich und der Teufel. Immer droht er, aufzuspringen, die Musik zu benutzen, Unheil anzurichten und die Worte des Liedes wahr zu machen. Jedes Mal rufe ich ihn zurück. Manchmal kann ich das. Manchmal ist meine Musik stärker als er. Aber der Preis ist hoch, so hoch. Um ihn zu mir zu ziehen, muss ich ihm einen Teil von mir geben. Das Lied hat er schon, was wird er diesmal nehmen?
„Du gehörst mir, kleine Motte“, flüstert er. „Bald schon, sehr bald.“ Seine Stimme vermischt sich mit dem Applaus der Menge. Ich stolpere mühsam von der Bühne. Meine Beine zittern. Ich muss mich hinsetzen. Die ganze Zeit plaudert der Teufel davon, was er mit mir machen wird, wenn ich erst in seiner Gewalt bin.
Audrey kommt, als ich mit dem Teufel spreche.
„Nein“, sage ich. „Nein, nein. Hör doch bitte auf.“ Wenn ich genug flehe, lässt er mich nach einer Weile in Ruhe.
Meine Schwester setzt sich neben mich.
„Ash?“, sagt sie. „Was ist denn los mit dir?“
Ich schüttele nur den Kopf. „Der Teufel… das Lied gehört doch dem Teufel… er ist wütend.“
Sie umarmt mich.
Dann knurrt sie leise: „Lass ihn in Ruhe!“
Sie spricht nicht mit mir. Sie spricht mit dem Teufel. Der lacht sie aus.
„Was für ein schönes kleines Lämmchen, so weiß und weich und innen noch ganz roh…“, säuselt er.
Ich stoße sie weg.
„Sprich nicht mit ihm, Audrey“, sage ich. „Du darfst nicht mit ihm sprechen!“
Sie weiß nichts von der Gefahr. Sie will mich nur beschützen.
„Wenn ich den Teufel nur einmal in die Finger bekäme…“, droht sie.
„Du wirst schon sehen, was dann passiert, Lämmchen“, droht der Teufel zurück.
Ich renne davon und nehme den Teufel mit. Ich weiß nicht, wie ich das mache, aber manchmal hat er keine Wahl, als mir zu folgen. Taumelnd gelange ich zur Bar und nehme mir eine Flasche Bourbon. Ich setze mich zu dem einsamen Mann. Zu Timothy. Audreys Daddy. Vielleicht kann er sie beschützen.
„Audrey hat mit dem Teufel gesprochen“, sage ich zu ihm.
„Das ist nicht gut“, antwortet er. Er glaubt mir. Ich sehe, dass er den Teufel selber schon kennt.
„Es tut mir leid“, sage ich. „Es ist meine Schuld… der Teufel spricht mit mir, und sie wollte mir helfen.“
Bevor Timothy mir antworten kann, fällt ein kalter Schatten über uns. Vater. Er ist gekommen, um mit Timothy zu reden. Mich sieht er nicht an. Gut. Ich trinke noch einen tiefen Schluck Bourbon und gehe. Der Teufel ist leiser geworden, und es gibt noch eine Frage, die ich stellen muss.
Ich finde Soléne weiter hinten im Club. Ihr Büro ist verwüstet. Das Bücherregal ist umgestürzt, als wäre jemand dagegen geworfen worden. Sie räumt auf. Ihr Gesicht ist kühl, aber ihre Finger sind rastlos.
„Ich muss dich etwas fragen“, sage ich, und dann schnell, bevor mich der Mut verlässt: „Arbeitest du für den Teufel?“
Soléne fährt herum. Das Buch, das sie hält, fällt ihr aus den Fingern.
„Wie kommst du darauf?“, faucht sie mich an. Sie ist wütend. Empört. Ihre goldenen Katzenaugen funkeln.
Sie tritt einen Schritt auf mich zu. Ich weiche zurück.
„Tut mir leid“, sage ich leise. „Ich dachte nur… ich habe das nicht verstanden.“
„Was hast du nicht verstanden?“ Ihre rauchige Stimme ist harsch.
Ich zögere. „Warum du mit mir… warum du mit jemandem wie mir schlafen wolltest…“
Sie starrt mich einen Moment lang an, dann lächelt sie langsam. Raubtierlächeln über Raubtierzähnen. Mit wiegendem Schritt kommt sie auf mich zu.
„Es gibt da etwas sehr Wertvolles, was du mir geben kannst“, schnurrt sie. „Etwas, das mir sehr viel bedeutet.“
Ich erstarre unter ihrem Blick. Wie ein hilfloses Beutetier.
„Meine Seele?“, stoße ich hervor. „Die kannst du nicht haben.“
„Nein, die gehört mir, kleine Motte.“ Der Teufel ist wieder da.
Soléne lacht nur. „Was soll ich mit deiner Seele? Die kannst du behalten.“ Sie steht direkt vor mir, ich weiche zurück. Hinter mir ist die Wand.
„Willst du sie? Ich kann sie dir geben“, bietet der Teufel an. „Wie ein kleines Kätzchen.“
Ich schüttele den Kopf. „Nein“, sage ich, aber er hört mir gar nicht zu.
„Dann kannst du ihr den Hals umdrehen… weißt du noch, wie viel Spaß das gemacht hat?“
„Das ist nie passiert“, murmele ich. Das hat der Teufel erfunden. Ich habe nie einer kleinen Katze den Hals umgedreht. Ich weiß nicht, wie sich das weiche Fell anfühlt, ich habe nie das Knacken der zarten Knochen und das Rauschen des nahen Flusses gehört. Es ist nicht wahr.
„Dann spiel für mich, kleine Motte“, zischt er. „Spiel für mich, oder es wird noch passieren. Nicht nur mit diesem kleinen Kätzchen!“ Seine Stimme bewegt sich auf Soléne zu.
Er kann mich nicht dazu bringen, ihr weh zu tun, aber was kann er mit ihr machen? Sie ist kein Mensch, aber macht sie das schwächer oder stärker?
„Oder vielleicht magst du sie ja? Willst du sie nehmen? Hier und jetzt? Was wirst du tun, wenn sie dich packt und auf ihren Schreibtisch wirft?“ Der Teufel lacht.
Mir wird übel bei der Vorstellung. Plötzlich will ich nur noch hier weg. Soléne soll mich nicht anfassen.
Panisch nicke ich.
„Einverstanden, einverstanden“, sage ich. „Ich mache, was du willst, aber lass sie in Ruhe. Lass sie alle in Ruhe!“ Draußen sind immer noch Audrey und ihre Freundinnen. Timothy. Und Vater.
„Spiel für mich, spiel meine Lieder“, zischte der Teufel. Ich laufe los.
Im Club stellt sich Vater in meinen Weg.
„Ich muss mit dir sprechen, Victor“, sagt er. Kalte Stimme, perfekter Anzug. Manchmal frage ich mich, wie ich sein Sohn sein kann.
„Das ist nicht mein Name“, widerspreche ich, aber nur leise. Mutter hat immer gesagt, dass ein Kind seinen Eltern nicht widersprechen darf.
Vater ignoriert meine Worte. „Ich will, dass du nach Hause kommst.“
Ich bin verwirrt. Nach Hause? Was meint er? Wo soll ich hingehen? Vielleicht will er nur, dass ich den Club verlasse.
„Ich habe kein Zuhause“, sage ich, ohne ihn anzuschauen. Ich wohne in dem verlassenen Haus am Fluss, aber das ist kein Zuhause.
„Du hast immer ein Zuhause“, meint er streng. „Komm heim.“
„Du bist in der Hölle zu Hause“, kichert der Teufel. „Komm heim.“
„Ich will da nicht hin“, sage ich ängstlich, zu Vater, zum Teufel.
„Junge“, seufzt mein Vater. Sein Gesicht ist ungeduldig. „Ich möchte, dass du nach Hause kommst. Dann können wir über alles reden.“
„Junge“, seufzt der Teufel. Seine Stimme klingt wie Vaters Echo. „Ich möchte, dass du für mich spielst. Dann können wir über alles reden.“
Ich schüttele stumm den Kopf und versuche, mich an Vater vorbei zu drängen, aber er bewegt sich ein Stück in meinen Weg. Ich will ihn nicht berühren. Ich kann mich nicht erinnern, ihn je berührt zu haben.
„Stell dich nicht so an. Ich weiß wirklich nicht, was mit dir los ist. Komm einfach.“
„Stell dich nicht so an. Ich weiß wirklich nicht, was mit dir los ist. Spiel einfach.“
Ich kann die beiden Stimmen nicht mehr unterscheiden. Ich nicke kraftlos.
„Einverstanden“, sage ich zu beiden. „Einverstanden.“
Vater geht aus dem Weg. Ich fliehe hinaus aus dem Club, hinaus in die Nacht, zum Fluss. Weg von den Menschen, soweit ich kann.
Dann spiele ich für den Teufel, bis meine Finger bluten und meine Violine zerbricht.