[Roleplay 101] Arten von Rollenspielen

In den Kommentaren zu einem meiner Beiträge aus der Reihe „Projekt ABC“ hatte eine Leserin kürzlich einige Fragen zum Thema Rollenspiel.

Ich dachte bisher, dass Rollenspiele so eine Art Theaterstücke sind… Was für Utensilien hat man denn für diese Spiele noch? Sowas wie bei Brettspielen? Und wie sieht es mit Kostümierungen aus?

Ich hätte ihr natürlich auf ihren Kommentar ebenfalls mit einem Kommentar antworten können, habe mich dann aber aus zweierlei Gründen dafür entschieden, dem Thema einen eigenständigen Blogbeitrag zu widmen. Zum einen wäre das vermutlich ein sehr langer Kommentar geworden, und zum anderen ist das Thema vielleicht ja für andere Leute, die bislang mit dem Thema Rollenspiel noch nicht so viel zu tun hatten, ebenfalls interessant. Und außerdem fallen mir ja vielleicht im Laufe der Zeit noch andere Themen ein – oder kommen im Gespräch noch andere Grundsatzfragen auf -, für die sich auch in Zukunft eigene Blogposts anbieten. Deswegen eröffne ich jetzt eine neue Kategorie in diesem Blog und nenne sie „Roleplay 101“. Oder vielleicht auch „Grundlagen des Rollenspiels“, da muss ich nochmal in mich gehen. Dieses erste Posting dreht sich aber jedenfalls um:

Arten von Rollenspielen

Pen & Paper

Ich kann es nicht mit letzter Sicherheit sagen, aber ich bin ziemlich überzeugt davon, dass dem Pen & Paper oder Tischrollenspiel innerhalb des Hobbys Rollenspiel der größte Anteil zukommt. Hier sitzt die Gruppe gemeinsam am Tisch und entwickelt die Geschichte durch wörtliche Rede ihrer Charaktere sowie durch Beschreibungen. Die Spieler übernehmen ihre jeweiligen Charaktere, während in den meisten Fällen ein weiterer Mitspieler als Spielleiter die Welt beschreibt und die so genannten Nichtspielercharaktere oder NSCs darstellt. Kostümiert wird sich beim Rollenspielen am Tisch gemeinhin nicht, auch wenn es durchaus gelegentlich auch einmal vorkommt, dass die Mitspieler – üblicherweise eine Gruppe aus ca. 4-6 Personen – sich aus Spaß an der Freude ein bisschen ambientegerecht anziehen.

An Utensilien benötigt man beim Pen & Paper, wie der Name schon sagt, vor allem Stift und Papier, insbesondere die Charakterbögen, auf denen die Spielwerte der Charaktere vermerkt sind. Da sich diese Spielwerte im Verlauf des Spiels durch den Erhalt von Erfahrungspunkten oder Aufstiegen verändern, werden häufig Bleistifte statt Kugelschreibern verwendet, und auch der eine oder andere Radiergummi liegt meist bereit. Für Tischrollenspiele benötigt man in den allermeisten Fällen Würfel, aber manche Regelwerke arbeiten auch mit Karten oder anderen Resolutionsmechanismen wie z.B. Münzen oder farbigen Steinen.

Zusätzlich verwenden manche Spielsysteme eine Regel für so genannte Glücks- oder „Gummipunkte“, die in den verschiedenen Spielen unterschiedliche Namen tragen. Diese zusätzliche Spielressource, die dazu dient, Würfe zu verbessern oder zu wiederholen oder erhaltene Wunden zu reduzieren, wird üblicherweise mit Pokerchips, Glassteinen, Bohnen oder sonstiger Wurfware dargestellt.

Viele Pen & Paper-Abenteuer leben davon, nicht nur die Geschichte zu erzählen, sondern bei Kämpfen, die gerne in Spielrunden von wenigen Sekunden abgehandelt werden, möglichst exakt visualisieren zu wollen, welcher Charakter sich im Moment gerade wo genau befindet. Das geht natürlich auch rein erzählerisch, aber oftmals werden dann – oder zum Beispiel bei Erforschungs-Sequenzen eines Tunnelsystems oder dergleichen – auch Landkarten oder Zeichnungen von der Umgebung auf den Tisch gelegt. Und wenn es dann zum Kampf kommt, kann man auch wunderbar mit Miniaturen spielen, die für die Spielercharaktere bzw. für die NSCs oder Monster stehen. Hier werden gerne so genannte Battlemaps verwendet, die kariert oder mit sechseckigen Feldern gerastert sind, von denen jedes Feld für eine bestimmte Entfernung (meist ein oder zwei Meter) steht.

LARP

Beim LARP, oder „Live Action Role Play“, ist Kostümieren angesagt. Hier treffen sich die Teilnehmer zum Spielen in entsprechend passender Kleidung (in LARPer-Kreisen auch „Gewandung“ genannt) an einem ambientegerechten Ort (für klassische Fantasy zum Beispiel eine Burg oder Burgruine oder ein uriges Gasthaus; für ein postapokalyptisches Setting vielleicht eine heruntergekommene Werkshalle) und entwickeln die Geschichte, indem sie, anders als beim Pen & Paper, nicht nur beschreiben, was ihre Charaktere tun, sondern tatsächlich, eher wie beim Theaterspiel, die Handlungen ihrer Charaktere körperlich darstellen. LARPs können entweder nur wenige Stunden dauern oder sich über mehrere Tage hinziehen.

Während Tischrollenspiele üblicherweise nur einen Spielleiter pro Spielsitzung haben, werden LARPs fast immer von einem ganzen Team aus Spielleitern geplant und durchgeführt. Die SLs sind vor Ort, um Fragen zu klären oder eingreifen zu können, falls nötig, aber hier wird die Welt nicht beschrieben, sondern auch die NSCs werden von Spielern übernommen, die ihre Anweisungen von der Spielleitung erhalten.

Nicht zuletzt wegen des größeren SL-Teams und der zusätzlichen NSCs ist bei LARPs die Spielgruppe üblicherweise größer als beim Pen & Paper: Hat die durchschnittliche Tischrunde ca. 4-6 Mitspieler, bestehen auch kleinere LARPs meist aus mindestens 10-12 Personen, und ein großes Event-LARP kann auch schon einmal bis zu mehrere hundert [Edit einige Tage später: Ich war zu lange auf keinem LARP mehr. Inzwischen sind es teils mehrere tausend] Teilnehmer haben. Gerade bei diesen richtig großen Veranstaltungen bekommen die einzelnen Spieler nicht unbedingt alles mit, was seitens der Spielleitung an ‚offiziellem‘ Plot geplant ist, sondern hier läuft auch viel an kleineren, inoffziellen ‚Privatplots‘.

Beim LARP wird nicht gewürfelt, sondern hier werden die meisten Handlungen einfach ausgespielt. Aber die meisten LARPs verwenden ähnlich wie die Pen & Paper-Rollenspiele auch Regelsysteme, nach denen die Charaktere ihre Werte erhalten, was in bestimmten Situationen zum Tragen kommt, um zu bestimmen, ob ein Charakter mit einer Aktion Erfolg hat oder nicht.

Utensilien sind hier diejenigen Gegenstände, die auch ‚tatsächlich‘ in der Fiktion auftreten: Waffen (natürlich Attrappen und keine echten – mit Schaumstoff und Latex stellen LARP-Bastler hier wahre Wunderdinge an, auch bei gewöhnlichen Gegenständen, die z.B. für eine Kneipenschlägerei zum Einsatz kommen könnten) – , Taschen und Beutel, Heiltränke und Gifte (d.h. Fruchtsaft oder mit Lebensmittelfarbe eingefärbtes Wasser), Schriftrollen und vieles mehr.

LIRP

Der Begriff „LIRP“ steht für „Live Indoor Role Play“. Eine andere Bezeichnung für diese Art von Rollenspiel ist auch „Mini-LARP“. Wie beim großen Bruder LARP wird auch beim LIRP im Stehen bzw. Herumlaufen gespielt, allerdings in einer räumlich etwas begrenzteren Umgebung, z.B. in einem einzigen Raum oder einer einzigen Wohnung. Auch hier wird sich üblicherweise kostümiert, wenn auch teilweise nicht unbedingt ganz so ausgiebig wie beim LARP. Aber anders als beim LARP oder auch beim Tischrollenspiel, wo man sich seinen eigenen Spielercharakter gemeinhin selbst ausdenkt, sind beim LIRP die Charaktere üblicherweise von dem zu spielenden Szenario vorgegeben. Meist sucht man sich vor dem Spiel anhand einer eher groben Kurzbeschreibung einen Charakter aus und bekommt dann von der Spielleitung eine ausführlichere Charakterbeschreibung mit den Informationen, die der Charakter über die anderen Charaktere kennt (oder zu kennen glaubt) sowie einigen geheimen Spielzielen. Diese Spielziele sind im Szenario absichtlich so angelegt, dass sie einander teilweise widersprechen, und auch bei den Charakterverknüpfungen ist üblicherweise schon reichlich Konfliktstoff mit eingebaut. Ein LIRP-Szenario wird meistens über vielleicht 3 oder 4 Stunden gespielt, ist also eher kurz und knackig. Auch hier können Utensilien aller Art zum Einsatz kommen. Die Spielleitung besteht bei LIRPs üblicherweise aus ca. 2-4 Personen, und die Spielerzahl liegt meist irgendwo um die 15-20 Personen. NSCs kommen bei LIRPs nur selten zum Einsatz – die gesamte Geschichte soll sich aus der Interaktion und dem Drama zwischen den Spielercharakteren ergeben.

Die Charaktere bei LIRPs haben üblicherweise keine Spielwerte, sondern als Resolutionsmechanismus kommen meist regelleichte Lösungen wie Entscheidungskarten, „Schnick-Schnack-Schnuck“-Entscheidungen oder dergleichen ins Spiel.

Foren-RPG/Play-by-Post

Beim Foren-RPG oder Play-by-Post wechselt man sich in einem Forum oder Text-Messenger-Chat damit ab, die Geschichte in Schriftform zu erzählen. Dies kann entweder völlig frei ohne jedes Regelsystem erfolgen, oder es wird mit einem Online-Würfelsimulator gearbeitet, dessen Ergebnisse man im Forum/Messenger anzeigen lässt. Die Texte werden meist im Präsens geschrieben, gelegentlich kommt aber auch der Imperfekt zum Einsatz. Foren-Rollenspiele können mit oder ohne Spielleiter ablaufen; Utensilien werden hier bis auf den Computer oder das Handy nicht verwendet.

MMORPG

Massively Multiplayer Online-Rollenspiele wie „World of Warcraft„, „Star Wars: The Old Republic“ oder andere Spiele dieser Art sind hauptsächlich darauf ausgelegt, die vom Spiel vorgegebenen Quests und sonstigen Spielinhalte zu absolvieren. Aber in fast allen dieser Spiele gibt es Rollenspieler, die mit ihren für das Computerspiel erstellten Charakteren nicht nur die Quests spielen, sondern miteinander interagieren und die Spielwelt für ihr eigenes, freies Spiel verwenden. Dies kann entweder mit einer Spielleitung ablaufen, die, ähnlich wie beim Tischrollenspiel, einen Plot vorbereitet hat, oder das Spiel verläuft rein frei und ohne SL. Da die meisten MMORPGs einen Würfel-Simulator integriert haben, kann es durchaus vorkommen, dass als Resolutionsmechanismus gewürfelt wird; das ist aber nicht zwingend notwendig. An Utensilien kommen gerne In-Game-Gegenstände zum Einsatz, die ein Spielcharakter in die Hand nehmen kann oder auf die er verweist. Gespräche und Beschreibungen finden entweder im Chat-Fenster der Spiele oder über Voice-Chat statt, aber die Spielfiguren können sich im Spiel auch bewegen, rennen, tanzen, visuelle Effekte auslösen und dergleichen.

7 Kommentare

Eingeordnet unter Pen & Paper, Roleplay 101, Rollenspiel-Sonstiges

7 Antworten zu “[Roleplay 101] Arten von Rollenspielen

  1. Wow, was für eine aufregende Welt diese Rollenspiele sind. Nee, das habe ich wirklich nicht geahnt. Wobei für mich nur „Pen & Paper“ in Frage käme. Und dass obwohl ich um die Ecke von Brokeloh wohne, wo jährlich Mythodea, mit mehreren tausend Teilnehmern wohl eines der größten Veranstaltungen in Deutschland, stattfindet. Ich lese darüber aber nur in der Zeitung… ;-)
    Ja, danke für diesen tollen Überblick bzw. Einführung. Es hat mir viel Spaß gemacht das zu lesen!
    Liebe Grüße
    Nicole

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  2. Pingback: [Roleplay 101] Länge des Spiels | Timber's Diaries

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