Seit Oktober 2015 ist die RPG-Blog-O-Quest eine feste Konstante der deutschen Rollenspielblogszene. Gegründet wurde sie durch durch Greifenklaue und Würfelheld, die dem deutschsprachigen Rollenspielvolk entweder selbst jeden Monat fünf Fragen zu unterschiedlichen Themen stellen oder diese Aufgabe an ein anderes Blog delegieren. Diesen April kommt die Quest wieder einmal von Gründervater Würfelheld, der die 55. Ausgabe der Aktion unter das Thema „Dunkle Geheimnisse“ stellt.
Die Fragen:
DIE FRAGEN
- Was war das Schlimmste, was je ein Charakter von Dir getan hat?
- Hat ein Charakter von Dir ein dunkles Geheimnis und was muss passieren, dass dieses an die Oberfläche kommt?
- Dunkles Geheimnis hin, dunkles Geheimnis her, was ist dabei eine Grenze, die Du nicht überschreiten möchtest / würdest?
- Hast Du schon einmal ein dunkles Geheimnis eines anderen Charakters (Spielers) gelüftet?
- Nach Deinen gemachten Erfahrungen, planst Du Deinen Charakteren auch in Zukunft ein dunkles Geheimnis zu geben?
Timbers Antworten:
1. Was war das Schlimmste, was je ein Charakter von Dir getan hat?
Ich weiß nicht, ob es objektiv das Schlimmste war, was je einer meiner Charaktere getan hat, da mag es im Laufe von 30+ Jahren RPG-Karriere Fieseres gegeben haben. Aber gefühlt, und auch, weil es mir als Spielerin noch monatelang nachging, war das die (hier unter Punkt 15 etwas näher beschriebene) Aktion meines Monsterjägers aus unserer Supernatural-Runde, mit der er seine Liebe verspielte, als er sich in einem Konflikt gegen seine Freundin stellte und sie zu allem Überfluss auch noch küsste, als sie gefesselt war und sich nicht dagegen wehren konnte. Hinterher kam er sich vor wie ein Vergewaltiger, und auch seine ehemals Liebste hat ihm diese Aktion nie verziehen.
2. Hat ein Charakter von Dir ein dunkles Geheimnis und was muss passieren, dass dieses an die Oberfläche kommt?
Mein Grey Legionary-Krieger bei Hellfrost hatte ein unschönes Geheimnis in seiner Vergangenheit, was auch der Grund war, warum er sich überhaupt der Grauen Legion angeschlossen hatte. Auch meine Whisper bei Blades in the Dark hat mindestens eine Leiche im Keller, und mein Supernatural-Monsterjäger hat ein traumatisches Ereignis in seiner Vergangenheit, das zwar kein echtes dunkles Geheimnis war, für das er sich aber lange schuldig fühlte und das im Spiel wie eines funktionierte. Außerdem hatten ganz viele meiner Oneshot-Charaktere schon so etwas, vor allem die speziell für Drama-Runden gebauten.
Damit diese Sachen das Tageslicht erblicken, muss gar nicht sonderlich viel passieren – in meinen Augen ist nichts langweiliger als ein Geheimnis, das nie herauskommt. Daher bin ich große Verfechterin der „auf Charakter-Ebene geheim, aber auf der Meta-Ebene allen bekannt“-Methode, dann können nämlich alle gezielt darauf hinspielen, dass das Geheimnis irgendwann schön organisch und nicht mit der Holzhammermethode im Spiel thematisiert wird.
Unsere Hellfrost-Runde haben wir leider nicht lange genug gespielt, als dass das Geheimnis meines Charakters jenseits einiger erster Andeutungen größer zur Sprache gekommen wäre, aber die Vergangenheit meiner Blades-Whisper ist gerade letztens mal auf für sie ziemlich unangenehme Weise hochgekocht, und das Trauma meines Monsterjägers hat im Verlauf der Kampagne schon mehrfach den Gang der Geschichte beeinflusst. Und gerade die Drama-Oneshots, die ich viel und gerne spiele, zielen ja genau darauf ab, dass die ganzen Konflikte und Geheimnisse an die Oberfläche kommen und auf die eine oder andere Weise angesprochen und gelöst (nicht notwendigerweise friedlich gelöst, aber ich nenne es mal zu einem zufrieden stellenden Abschluss gebracht) werden.
3.) Dunkles Geheimnis hin, dunkles Geheimnis her, was ist dabei eine Grenze, die Du nicht überschreiten möchtest / würdest?
Ich habe es im Rahmen dieses Blogs schon das eine oder andere Mal erwähnt: Mit richtig bösen Charakteren tue ich mich schwer – entweder sie entwickeln über kurz oder lang doch ein Herz, oder sie fühlen sich für mich beim Spielen mehr an wie ein NSC denn wie ein SC, wie z.B. der fiese römische Senator und Paterfamilias in unserem Römer-Drama-Oneshot, bei dem ich am Ende froh war, dass er beim Ausbruch des Vesuvs umkam, so ein Dreckskerl war er.
Ein dunkles Geheimnis in der Vergangenheit heißt natürlich nicht, dass ein Charakter auch in seiner Gegenwart immer noch ein fieser Drecksack ist, deswegen habe ich auch mit etwas schlimmeren Vertretern dieser Art theoretisch kein Problem. Ich könnte mir zum Beispiel vorstellen, dass einer meiner Charaktere in seiner Vergangenheit einen Mord begangen hat, das jetzt aber bereut, oder dass er wegen einer Straftat berechtigt im Gefängnis war, seine Strafe aber abgesessen hat oder sowas in der Art. Oder jemand durch Nachlässigkeit oder einen Unfall oder ähnliche Umstände zu Tode kam, oder dass der Charakter in einer Gang war oder sowas. Solche Charaktere habe ich auch schon mehrfach gespielt, aber ich glaube, ich würde keinen Vergewaltiger oder Serienmörder oder Kannibalen oder sowas spielen wollen, auch wenn das ’nur‘ in der Vergangenheit des Charakters gewesen sein mag.
4. Hast Du schon einmal ein dunkles Geheimnis eines anderen Charakters (Spielers) gelüftet?
Zufällig, meinst du? Puh, weiß gar nicht mehr. Da ich, wie oben erwähnt, den Spielansatz „für die Charaktere geheim, aber für die Spieler.innen bekannt“ bevorzuge und mit dieser Einstellung in den meisten Runden, die ich spiele, nicht alleine dastehe, kann ich mich nicht bewusst an einen Fall erinnern, wo ich ohne zugehöriges Spielerwissen spontan das dunkle Geheimnis eines Charakters aufgedeckt hätte. Hm… Oder? Ich weiß es wirklich nicht mehr.
In unserer Hellfrost-Runde war es definitiv nicht ich, die das Geheimnis unserer Diebin lüftete; diese Ehre gebührt dem Zwergen-Magier (allerdings mit dem Wissen seines Spielers dahinter: Wir hatten die Charaktere gemeinsam erstellt, und so wussten wir alle, dass die Diebin den Nachteil „Feind“ und „Verfolgt“ hatte und warum.) Es stellte sich in-game ziemlich bald heraus, dass die Diebin irgendwas in ihrer Vergangenheit hatte, das ihr eine Zielscheibe auf den Rücken gemalt hatte, über das sie aber nicht reden wollte. Eine Weile später dann kam es zu einer sehr amüsanten Szene, als wir in einer Stadt Steckbriefe von ihr fanden, die immerhin von 1000 Goldstücken Belohnung und ‚tot oder lebendig‘ sprachen. Das veranlasste unseren Zwerg dazu, nachzuhaken, wer denn nun hinter ihr her sei. Oh, ein paar Wachen, war die ausweichende Antwort der Diebin. Wachen? Wachen von wem, bohrte der Magier weiter. Der Royalmark, druckste die Diebin schließlich. „Der ganzen Royalmark?!? Was hast du getan, dem Cyning die Krone geraubt?“ Das geschockte Schweigen und das kreidebleiche Gesicht der Diebin machten jede weitere Antwort überflüssig – eine in meinen Augen wunderbar gelungene Auflösung eines dunklen Geheimnisses und der perfekte Einsatz des Prinzips ‚die Spieler.innen wissen es, die Charaktere nicht‘.
Als Gegenbeispiel, wo die Spieler.innen es nicht wussten, war da diese Shadowrun-Runde, wo ein Mitspieler ohne mit der Wimper zu zucken in der ersten Session bei der in-game-Vorstellung der vorher einzeln erstellten Charaktere gedankenschnell einen falschen Namen nannte, als ein anderer Charakter in-game erklärte, sie suche jemanden, um ihn wegen [Verbrechens XY] zur Rechenschaft zu ziehen, jemanden namens [sein eigentlicher Charaktername] (diese Verknüpfung hatte der SL erstellt und der Spielerin den Namen des Täters genannt, ohne dazuzusagen, dass das ein Mit-SC sein würde). Zahlreiche Sessions lang spielte er den Charakter unter dem falschen Namen, ohne dass irgendwer wusste, dass er eigentlich der von dem anderen Gruppenmitglied gesuchte Charakter war. Ich weiß nicht, ob sein echter Name und seine Beziehung zum Charakter der anderen Spielerin je herauskam, weil ich die Runde relativ bald verließ*, aber falls nicht, dann war das ein klassischer Fall von ‚Drama-Potential des dunklen Geheimnisses voll verschenkt‘, weil niemand es wusste, um was daraus machen zu können. Ich weiß gar nicht mehr, wie ich davon erfuhr – im Vorfeld wusste ich es genausowenig wie alle anderen, und in-game kam es nicht heraus, solange ich dabei war, aber ich glaube, der SL erzählte es mir, als ich schon aus der Runde ausgestiegen war.
Wie dem auch sei, aktiv fällt mir gerade nichts ein, wo ich ein Geheimnis aktiv gelüftet hä–
Ah, doch, warte. Bei Monsterhearts hat mein Charakter irgendwann herausbekommen, was es mit einem ihrer Mitschüler auf sich hatte– aber auch da war das Geheimnis auf der Meta-Ebene bekannt, und es musste nur ein schöner und passender Moment kommen, um das Ganze auch in-Game anzuspielen und herauszufinden, ohne dass die Sache aufgesetzt wirkte. Das ist nämlich, wie oben auch schonmal kurz angeschnitten, die andere Seite der Medaille: Alle Beteiligten müssen sich zurückhalten und Geheimnisse nicht unbedingt sofort mit der Holzhammermethode aufdecken wollen. Da muss schon der richtige Moment her. Aber wenn das klappt, dann sorgt es für echt tolle Momente.
5. Nach Deinen gemachten Erfahrungen, planst Du Deinen Charakteren auch in Zukunft ein dunkles Geheimnis zu geben?
Klar. Ich habe damit größtenteils gute Erfahrungen gemacht, und ich finde, es kann Charakteren Würze und Tiefe geben, wenn sie sowas haben. Damit muss ja auch nicht immer ein weltbewegendes tiefschwarzes Geheimnis wie Mord oder so gemeint sein, aber halt irgendwas, das im Spiel herauskommen kann, gerade bei dramazentrischen Runden. Bei ’normalen‘ Runden wie klassischer Abenteuer-Fantasy oder SciFi jetzt nicht so unbedingt, aber auch da kann es durchaus nette Würze darstellen.
Allerdings – ich habe es ja oben schon gesagt – ist in meinen Augen ein wichtiger Aspekt, dass die Geheimnisse auf der Spieler.innen-Ebene bekannt sind, damit die ganze Gruppe gezielt darauf hinarbeiten kann. Wenn die Geheimnisse nie herauskommen, kann die Würze nicht würzen, und das Gericht bleibt, zumindest in dieser speziellen Hinsicht, fad.
* aber das ist eine andere Geschichte, die ich hier ein bisschen genauer ausgeführt habe.
Die Regeln der RPG-Blog-O-Quest:
- An jedem Monatsersten stellt jemand – entweder die Questgründer Greifenklaue oder Würfelheld oder ein von ihnen beauftragter Blog – dem deutschsprachigen Rollenspielvolk fünf Fragen/Lückentexte. Die Veranstalter bitten darum, diese Fragen auf Blogs, in Podcasts, Vlogs oder in Foren zu beantworten (bzw. die Lückentexte auszufüllen).
- Jeder Monat widmet sich einem Hauptthema, um das sich die Fragen drehen.
- Über die Zusendung der Links, per Mail, Kommentar, usw. freuen die Organisatoren sich.
- Jeder, der sich die Zeit nimmt, die fünf Fragen zu beantworten, ist herzlich willkommen.
- Die verschiedenen “RPG-Blog-O-Quest” Logos dürfen in den Beiträgen benutzt werden.
Eine Auflistung aller RPG-Blog-O-Quests, an denen ich bisher teilgenommen habe, findet sich hier.