Letztes Jahr hat Greifenklaue die ersten beiden Teile einer Karnevals-Reihe rund um das Thema „Mobilität“ gestellt – „Flieger und Piloten“ im Februar und „Kapitäne und Schiffe“ im Juli 2019 – und schließt jetzt, im Mai 2020, die Trilogie mit dem Thema „Fahrzeuge und Fahrer“ ab. Mit Timber’s Diaries habe ich mich nur am Flieger-Umzug beteiligt, weil ich für die Schiffe keine Zeit und keine zündende Idee hatte, aber zu den Fahrzeugen möchte ich auf die allerletzte Sekunde doch noch etwas beitragen und dazu wieder mal in meinem Archiv kramen. Denn vor knapp zwei Jahren, im Juni 2018, gab es eine von Seanchui Goes Rlyeh ausgerichtete RPG-Blog-O-Quest, bei der er zur Erstellung einer Abenteueridee anhand der so genannten „6W-Fragen“ aufrief. Und das, was in diesem Zusammenhang bei mir herauskam, passt so gut zur Vorgabe dieses Karnevals, das ich es hier noch einmal aufleben lassen möchte.
Die 6W-Fragen-Quest
Die Idee zu dem Szenario kam mir, weil ich kurz vor der besagten Blog-O-Quest zwei Folgen einer Doku-Soap gesehen hatte, bei der es um die Barrett-Jackson Automobil-Auktion in Scottsdale, Arizona ging, was mich dazu inspirierte, auf dieser Veranstaltung unbedingt mal ein Abenteuer unserer Supernatural-Poolkampagne ansiedeln zu wollen. Und da es bei dieser Auktion immer um Sammler-Autos geht, bot sich als Aufhänger natürlich ein ‚beseeltes Fahrzeug‘ à la Christine oder Rhea M an, was ich dann für die RPG-Blog-O-Quest entsprechend umsetzte.
Die konkrete Rundenplanung
Ende Januar 2019 habe ich das Abenteuer dann tatsächlich in unserer Supernatural-Runde geleitet. Dafür habe ich die allgemeinen Setzungen meines RPG-Blog-O-Quest-Beitrags genauer ausgearbeitet und, weil ich eine Begründung für das beseelte Auto brauchte, die zu den spezifischen Gegebenheiten des Supernatural-Settings passte, das Szenario um eine Komponente aus R.L. Stevensons „der Flaschenkobold“ ergänzt.
Das sah dann folgendermaßen aus:
Bei dem fraglichen Auto handelte es sich um einen 1931er Rolls Royce Phantom. Der erste Besitzer des Autos hatte einen für das Supernatural-Setting typischen Handel mit einem Kreuzungsdämonen abgeschlossen, gemäß dem er von dem Dämon einen Wunsch erfüllt bekam, dafür aber nach 10 Jahren seine Seele an den Teufel fiel. Um sich aus dem Deal zu winden, hatte er aufgrund seiner okkulten Fähigkeiten den Dämon in das Auto gebannt und es dann verkauft und dachte, er sei den Deal damit los. Dem war aber nicht so, sondern nach Ablauf der 10 Jahre seines Ursprungs-Handels (nicht nach 10 Jahren Besitz des Autos) wurde er, statt von den Höllenhunden geholt zu werden, von seinem Auto überfahren, weil der darin gebannte Dämon so wütend war.
Der nächste Besitzer hatte das Auto ohne Wissen um den Dämon gekauft, wurde aber aus dem Autoradio heraus von diesem umgarnt, dass der Dämon ihm alle Wünsche erfüllen könne. Er ließ sich auf den Deal ein, war aber schlau genug, auf einem Ausweg zu bestehen. Es gab also Bedingungen, um den Pakt lozuwerden: Er musste das Auto innerhalb der 10 Jahre verkaufen und beim Verkauf den Pakt mit-verkaufen, sprich die Info, dass das Auto besessen ist und Wünsche erfüllt und man es innerhalb von 10 Jahren inklusive Info weiterverkaufen muss. (Wenn man innerhalb der 10 Jahre sterben sollte, ist man auch fällig). An diese Bedingungen hielt sich der zweite Besitzer, also wurde er reich, starb aber nicht nach Ablauf der 10 Jahre, sondern kam ordnungsgemäß aus dem Deal heraus.
Etliche Personen kauften das Auto danach mit der Info um den Dämon und nutzten es; andere hielten das aber für Mumpitz und haben dessen Angebot gar nicht genutzt, haben es entsprechend auch ohne Info weiterverkauft, teils auch nach weniger als 10 Jahren, wurden dann trotzdem nach 10 Jahren von genau diesem Auto getötet (Wenn sie das Auto zu dem Zeitpunkt noch selbst im Besitz hatten, wurden sie einfach von ihm ausgeschaltet; wenn das Auto zu diesem schon jemand anderem gehörte, dann fuhr es ggf. ohne Fahrer los à la Christine, oder der Fahrer verlor in dem Moment die Kontrolle über das Fahrzeug)
Der neueste Besitzer wusste um den Deal und hatte schon seit etwa einem Jahr versucht, das Auto zu verkaufen, das war ihm aber nicht gelungen; jetzt waren die 10 Jahre kurz vor dem Ablaufen, und so hatte er das Auto in einer Art letzten Verzweiflungsaktion zur Barrett Jackson-Auktion gegeben.
Außerdem schrieb ich noch folgende Ideen für den Ablauf des Szenarios auf:
- Auf der Auktion kann das Phantom frei herummarodieren, weil es zum ersten Mal weder einen Dealkunden noch einen mundanen Besitzer hat (der Besitzer, der bis jetzt den Deal hatte, ist tot, aber die Auktion steht erst noch an; es gibt auch keinen Erben.) Deswegen ist das Phantom zum ersten Mal so richtig frei.
- Das Auto hat keine normale RR-Kühlerfigur, sondern einen Dämon statt der Frauengestalt. Von ihm infizierte Autos nehmen ebenfalls als Emblem diese Kühlerfigur an bzw. es taucht an ihnen auf. An denen reicht es, das Dämonenemblem wegzumachen, aber beim Phantom reicht das nicht aus. Hier sind innerhalb des Motors, an Stellen, die man sonst nicht sieht, Runen und okkulte Zeichen eingebrannt, eingeätzt etc.
- Bei Menschen, die den Deal eingehen, taucht die Kühlerfigur als Branding auf.
- Die Charaktere sehen sich auf der Auktion um, buntes Treiben, erforschen, dann plötzlich Aufregung wegen vermeintlichem Unfall. Schon gegen Abend, etwas weniger los; B12 will das Auto einem Interessenten zeigen, bockt es auf, Wagenheber löst sich, zerquetscht. Tragisch.
- Wird dann weggefahren zum Waschen und Überprüfen => bringt den Mechaniker bzw. Wäscher um (Wäscher bleibt in der Waschanlage hängen; Auto rollt von der Hebebühne); nachts den Nachtwächter (rollt los)
- IDEE: Der Dämon versucht, einen oder mehrere der Charaktere zu umgarnen. Niels könnte nicht nur den Dämon, sondern auch Joes Stimme aus dem Autoradio hören. Emily könnte ein Angebot wegen ihres Bruders erhalten.
Da mir klar war, dass die Charaktere anfangen würden nachzuforschen, sobald sie bei der Auktion darauf gestoßen werden würden, dass etwas Seltsames vorging, bestand mit der größte Teil meiner Vorbereitungen darin, eine Zeitlinie der Autoverkäufe samt Käufer-Namen zusammenzustellen. Auch wenn diese vermutlich in diesem Detailgrad im Spiel selbst gar nicht angesprochen werden würden (so kam es dann auch tatsächlich), war es mir – obwohl ich sonst eher eine Freundin von nur stichpunktartiger Vorbereitung bin – doch wichtig, hier die genaue Abfolge zumindest für mich selbst in der Hinterhand zu haben. Dabei stellte ich erst eine Timeline der Besitzer und ihrer Kaufgründe zusammen, danach folgte in einem zweiten Schritt dieselbe Tabelle gestrafft und mit NSC-Namen.
ZEITLEISTE 1
B1 | 1924 | Besitzer 1 macht Original-Deal, wird reich und bekannt. |
1931 | Besitzer 1 kauft den Rolls Royce, einen der ersten RR Phantoms überhaupt, in Großbritannien; importiert ihn in die USA | |
1932 | Besitzer 1 bannt den Dämon, mit dem er den Original-Deal gemacht hatte, in den Rolls Royce und behält das Auto zum Gloaten, weil er denkt, er sei fein raus. | |
1934 | Besitzer 1 kommt trotzdem um, wird vom Auto umgefahren (Chauffeur saß drin), statt von den Höllenhunden geholt zu werden. Das Auto kommt in die Erbmasse und wird schnell verkauft, ohne dass der neue Besitzer von der Besessenheit weiß. | |
B2 | 1934 | Der Dämon fängt über das Autoradio an, mit Besitzer 2 zu kommunizieren und ihn zu umgarnen. Besitzer 2 lässt sich auf den Deal ein, ist aber schlau genug, auf einem Ausweg zu bestehen. Also Zusatzbedingung: die Seele ist gerettet, wenn er das Auto innerhalb der 10 Jahre und inklusive der Info weiterverkauft. B2 nutzt den Dämon und wird reich. |
1941, Dez | Die USA treten mit dem Angriff auf Pearl Harbor in den Zweiten Weltkrieg ein. B2 fängt umgehend an, nach einem Käufer zu suchen, weil er Angst hat, das Auto im Krieg nicht loszuwerden. | |
1943 | B2 verkauft das Auto ordnungsgemäß inklusive Info über den Dämon, wenn auch wegen der Kriesgzeiten relativ billig, aber B3 glaubt den Hokuspokus nicht. | |
1944 | B2 wird nicht überfahren. | |
1945 | Kriegsende | |
B3 | 1953 | B3, der das Auto die vollen 10 Jahre in seinem Besitz behalten, den Dämon aber nicht genutzt hat, um reich zu werden, begeht “Selbstmord durch Kohlenmonoxid”. Das Auto geht als Erbschaft an B4 über. |
B4 | 1953 | B4 lässt sich vom Autodämon umgarnen und geht selbst einen Deal ein. |
1963 | B4 verkauft das Auto an B5, erzählt aber nicht genug (Formalität) vom Dämon – nennt es vielleicht ‘Dschinn’ statt Dämon oder so und wird deswegen selbst überfahren. | |
B5 | 1963 | Der Autodämon will B5 umgarnen, schafft es aber nicht, weil B5 das Ganze für einen Hoax hält oder einfach zufrieden genug ist, dass er nichts haben will. |
1964 | B5 verkauft das Auto, weil es ihm unheimlich ist, inklusive Info über komische Stimmen aus dem Autoradio sehr schnell und billig an B6 weiter. Der Vietnam-Krieg bricht aus. B6 ist ein Offizier der U.S. Army, der später in Vietnam eingesetzt wird. | |
1973 | B5 stirbt nicht, weil er den Deal ja nicht eingegangen ist (und das Auto außerdem mit Info verkauft hat) | |
B6 | 1974 | B6, der das Auto mit “jaja, scho recht, Hauptsache billig” gekauft hat, hat wegen seines Einsatzes in Vietnam keine Zeit, einen neuen Käufer zu suchen. Er ist “zufällig” gerade auf Heimaturlaub, wird überfahren. Das Auto wird von seiner Tochter geerbt. |
B7 | 1974 | Die Tochter, B7, findet im Tagebuch ihres Vaters einen Hinweis auf den Deal. Sie wird vom Radio umgarnt und geht den Deal ein. |
1984 | B7 verkauft das Auto ordnungsgemäß an B8 und stirbt nicht. | |
B8 | 1984 | B8 kauft das Auto aus Verzweiflung, um seine kranke Tochter zu heilen. Als sie gesund ist, verkauft er es ein paar Monate später ordnungsgemäß gleich wieder. |
1984 | B9 kauft das Auto. | |
1993 | B8 stirbt nicht. | |
B9 | 1994 | B9 verkauft das Auto zwar an B10, aber ohne Hinweis auf den Dämon, und wird etwas später in der Garage zerquetscht. |
B10 | 1994 | B10 kauft das Auto ohne Wissen um den Dämon. Lässt sich vom Radio umgarnen, wird dann aber senil und vergisst schlicht den Deal. |
2001 | B10 stirbt an einem Herzanfall, bevor seine 10 Jahre um sind. Das Auto kommt in die Erbmasse und wird vom Erben behalten, weil B10 mal was von dem tollen Wunschauto erzählt hatte. Erbe B11 lässt sich vom Radio umgarnen. | |
B11 | 2009 | B11 ist schlau und wartet nicht die vollen 10 Jahre ab, sondern verkauft es mit einigem Puffer. B12 kauft das Auto. |
2011 | B11 stirbt nicht. | |
B12 | 2018 | B12 fängt an, einen Käufer zu suchen, findet niemanden. |
2019 | B12 will jetzt den Rolls Royce einfach ganz regulär bei der Auktion versteigern und dem Ersteigerer hinterher von dem Dämon erzählen; denkt, das reicht auch aus. Er dachte, er hätte mehr Zeit, weil in seiner Vorstellung die 10 Jahre ab dem Moment der Umschreibung auf den Papieren galten, für den Dämon aber schon ab dem Handschlag mit dem Vorbesitzer, was schon knapp 2 Wochen vorher passierte. Außerdem geht die Auktion eine Woche lang, und sein Slot wurde umgeschichtet. Wird abends beim Aufbocken des Autos durch einen “defekten Wagenheber” zerquetscht. |
ZEITLEISTE 2
m/w | Name | Jahr | Erwerb | Jahr | Abgabe | |
B1 | m | Wilbur E. Thompson | 1931 | Kauf, Bannen des Dämons | 1934 | totgefahren (durch Chauffeur Tim Ross) |
B2 | m | Irving Stone | 1934 | Kauf, umgarnt | 1943 | ordnungsgemäßer Verkauf |
B3 | m | Anthony P. Davis | 1943 | Kauf mit Wissen | 1953 | “Selbstmord” Monoxid |
B4 | f | Roberta Mitchell, née Davis | 1953 | Erbe, umgarnt | 1963 | Verkauf, aber ohne Info, wird überfahren (Auto kommt alleine hin) |
B5 | m | Gregory C. Verrault | 1963 | Kauf, lässt sich nicht umgarnen | 1964 | ordnungsgemäßer Verkauf, weil Hoax bzw. unheimlich |
B6 | m | Mark Berman | 1964 | Kauf mit Wissen, “scho recht, Hauptsache billig” | 1974 | Offizier, Vietnam, vergisst Verkauf, Heimaturlaub, wird überfahren |
B7 | f | Deborah Myrick, née Berman | 1974 | Erbe, Vaters Tagebuch Hinweis, umgarnt | 1984 | ordnungsgemäßer Verkauf |
B8 | m | Ben Alderman | 1984 | Kauf mit Wissen w/ kranker Tochter | 1984 | ordnungsgemäßer Verkauf |
B9 | f | Joan Campbell | 1984 | Kauf mit Wissen | 1994 | Verkauf ohne Info, wird überfahren (von B10 ohne Erinnerung) |
B10 | m | Martín Espinoza | 1994 | Kauf ohne Wissen, umgarnt, wird senil | 2001 | Herzanfall vor Verkauf oder Ende des Deals |
B11 | m | Ramon Espinoza | 2001 | Erbe, Vater mal erwähnt, umgarnt | 2009 | ordnungsgemäßer Verkauf |
B12 | m | James R. Ward | 2009 | Kauf mit Wissen | 2019 | auf Auktion zerquetscht |
Hell on Wheels
In unserer Runde funktionierte das Szenario, dem ich den Titel „Hell on Wheels“ gab, wunderbar. Ich schickte die Charaktere nicht schon mit dem Wissen um Seltsames auf die Auktion, sondern zwei Charaktere sollten den Sohn eines reichen Bekannten ‚babysitten‘, damit der auf der Auktion nicht zu viel Geld ausgeben sollte, und der dritte Charakter wollte sich auf der ’normalen‘, nicht der teuren Sammler-Auktion der Barrett Jackson (die es in echt so nicht gibt, die ich aber kurzerhand für unsere Runde dazudefinierte) nach einem neuen Auto umsehen, weil sie ihr eigentliches Auto gerade vor kurzem verloren hatte.
Die von Charakterspiel und Aufarbeiten von Konflikten der vorigen Runden durchsetzte Spielsitzung kulminierte nach einer Phase des Nachforschens in einem durchaus spannenden Kampf gegen den Rolls Royce und einen von ihm infizierten Camaro, in dessen Verlauf die Monsterjäger einige Blessuren davontrugen, aber das Dämonenauto am Ende besiegen konnten. (Falls es jemand interessiert: Wir fassen unsere Abenteuer auch immer in groben Mitschrieben zusammen, die dann eventuell als Grundlage für echte Diaries dienen können. Dabei schreibt ein.e Mitspieler.in eine grobe Zusammenfassung, ggf. auch unter Copy/Pasten von Teilen des Roll20-Chats, und alle anderen Mitspieler.innen fügen dann in unterschiedlichen Farben Ergänzungen oder Kommentare hinzu, so dass üblicherweise ein recht vollständiges Bild von der Session entsteht. Ein richtiges Diary zu der Runde gibt es zwar leider nicht, aber falls jemand reinschauen möchte: Immerhin der grobe Mitschrieb findet sich hier.)
Und so sah der virtuelle Spieltisch für die Runde aus:
