
Am Tag nach der Hochzeit schliefen Lidia und ich, wie man sich vielleicht vorstellen kann, ziemlich lange. Wir waren gerade mit einem sehr späten Frühstück Brunch fertig, da klingelte mein Telefon. Es war Roberto, und es war ein Notfall. Treffen zum Kriegsrat in der Casa Guardián (mit allen außer natürlich Bjarki und Ciceron), und ich war nur heilfroh, dass Lidia Verständnis zeigte.
Bei dem Treffen erzählte Roberto, dass Oshun vorhin bei ihm aufgeschlagen war. Ohne Anzuklopfen, versteht sich. Sie hatte einen großen, sonnengebräunten, südländisch aussehenden, wütenden Kerl im Schlepptau, und auch wenn Roberto das Gespräch natürlich nicht in allen Details zitierte, lief es in meinem Kopfkino ungefähr so ab:
Oshun, täuschend ruhig: „Das ist Ares, der griechische Gott des Krieges. Es geht los. Sag Yansa bescheid, wir brauchen sie. Thor haben wir leider nicht finden können, kennt den einer? Wir warten bis heute Abend, dann gehen wir.“
Ares, förmlich aus den Nüstern schnaubend: „Das ist ein guter Plan, bis zum Abend zu warten und dann in der Dunkelheit anzugreifen.“
Roberto, ziemlich überfahren von dem Überfall: „Ähm, wo wollt ihr denn warten? Hier?“
Oshun: „Am Schandfleck. Dort warten wir.“
Roberto: „Okay… wenn ihr dort warten wollt?“
Oshun: „Oder sollen wir gleich losschlagen?“
Roberto: „Nein.“
Oshun: „Nun gut. Dann am Abend. Die Zeit des Wartens ist vorüber. Die Zeit der Rache ist gekommen.“
Oshun und Ares: exeunt. Roberto: greift nach seinem Telefon.
Wir waren uns alle einig, dass das Oshuns Plan eine ganz schlechte Idee war und nicht gut gehen konnte.
Dann erzählte Alex, weil es ja am Abend zuvor nicht alle mitbekommen hatten, dass Eleggua zu ihm gesagt hätte, man könne Loki in Jak stärken, und ich erwähnte Elegguas Bemerkung von den Winterfeen, die ihren Job nicht machten, was das Abhalten der Outsider beträfe. Auch da waren wir uns einig, dass da wohl ein Gespräch mit Tanit angezeigt sei.
Und wir riefen bei Haley an, fragten, wie es ihr gehe und was mit dem Jak-Kultisten sei, den sie am Abend zuvor einkassiert hatte. Geistig nicht stabil, erwiderte Haley. Er sei kein normaler Sterblicher mehr, sondern habe einen Luftballon im Hirn, den er freiwillig hineingelassen habe – es scheine, als hätte er sein drittes Auge geöffnet, als die Outsider auftauchten, und es dann nicht wieder geschlossen, und das sei eine absolute Katastrophe für ein menschliches Gehirn. Falls wir das wollten, könnten wir mit ihm – Zeke nenne er sich – reden, aber das werde dauern, bis er einigermaßen ansprechbar sei. Aber gut, das läuft ja auch nicht weg, das muss nicht gleich jetzt sein.
Haley erzählte auch, dass der Allvater alle Asen nach Asgard gerufen habe, und ob wir wüssten, was los sei. Totilas erzählte ihr, dass einer von Odins Raben erstochen worden sei, und ich berichtete von Vadderungs Verdacht gegen Eleggua.
„War das Elegguas Plan, Alex?“, fragte Haley sofort, aber das verneinte der umgehend.
„Meinst du, Odin wird Miami jetzt mit Krieg überziehen?“, wollte Totilas im Gegenzug wissen, aber das wiederum glaubte Haley nicht. Sie könne allerdings nicht mit ihm reden – oder besser gesagt, er würde nicht auf sie hören, wenn sie es versuchte, denn sie sei ja ’nur Hel‘.
„Und ich habe mit ihm nicht über Pans Einherjer reden können, als er auf der Feier war“, brummte ich missmutig. „Die Sache hatte ich eigentlich mit ihm klären wollen…“
„Pans Einherjer könnten ein Problem werden, weil die immer noch vor allem Odin verpflichtet sind“, sagte Haley vorsichtig, aber dann legte sie recht schnell auf, weil die ganze Sache nicht ihre Baustelle war.
Für das Treffen mit Tanit suchten wir wie immer zuerst Hurricane auf und fanden ihn in der Wrestlingschule am Hafen, die er seit einer Weile hat.
Als wir den Laden betraten, kam Hurricane zu uns herüber. „Hi, wollt ihr auch Wrestling lernen?“, fragte er gut gelaunt.
„Nein, wir wollen mit Tanit reden“, erwiderte Roberto.
„Dann müsst ihr zum Cayo Huracán“, schlug Hurricane kurz angebunden vor, aber Alex lächelte ihn entwaffnend an: „Vielleicht kannst du uns auch weiterhelfen.“
„Ich bin nicht die Wohlfahrt“ brummte Hurricane, „aber sag halt mal, was du willst.“
„Es geht um unsere gemeinsamen Leute, die, die wir alle nicht mögen.“
„Ich kann die Republikaner auch nicht leiden. Kannst du vielleicht noch ungenauer werden?“
Edward wurde konkreter und erzählte von den Outsidern und dass sie offenbar einen Brückenkopf in unsere Welt geschlagen haben. Das habe Hurricane auch schon gemerkt, sagte er, aber er könne dazu nichts sagen, das sei nicht seine Aufgabe, und dazu müssten wir mit Tanit reden.
Oh, ¿de verdad?
„Können wir über dich einen Termin bei ihr ausmachen?“, fragte ich, aber Hurricane grinste nur.
„Sie wird euch schon nicht kentern lassen. Immerhin werden ja wohl neben dir noch zwei weitere Gesandte im Boot sein.“
Das war allerdings keine sonderlich sichere Aussage, also verhandelten wir. Am Ende kamen wir überein, dass er uns etwas geben würde, mit dem wir schadlos zum Cayo Huracán kämen, und im Gegenzug dürften seine Schule und er in drei Tagen den ganzen Nachmittag lang an Pans Strand trainieren. Daraufhin gab er Alex einen grauen Handschuh, der die Überfahrt für ihn sehr angenehm werden ließ, für uns andere eher … nicht so. Aber wir kamen an.
Wir wurden von Yahaira Montero in Empfang genommen, die uns zu einer der Klippen führte, wo Tanit stand und sich den Wind durch das Haar wehen ließ.
„Ihr tragt das Unterpfand meines Sohnes bei euch, also muss es wichtig sein“, begrüßte sie uns.
Winter oder nicht, sie war eine Fee und somit am ehesten meine Baustelle.
„Es ist in der Tat wichtig“, erwiderte ich höflich, „wir wollten Euch darüber informieren, dass die Outsider einen Brückenkopf in unserer Welt etabliert haben.
„Das ist zu früh“, entgegnete Tanit, sichtlich bestürzt, „das hatte ich in diesem Ausmaß noch nicht erwartet.“
Ich nickte. „Und das sind Feinde, gegen die alle Animositäten zwischen Sommer und Winter zurücktreten müssen.“
Tanit nickte ebenfalls. „Berichtet.“
Ich berichtete.
Als ich fertig war, sah Tanit Alex direkt an. „Eleggua ist zu schlau, als dass es gut für ihn wäre.“ Dann wandte sie sich an uns alle: „Die Outsider sind wie ein Krebsgeschwür, schwer für immer zu entfernen. Man kann sie auch nicht einfach ins Meer werfen, ohne das Gefüge der Welt zu zerstören. Ich habe meine Gesandte losgeschickt, um herauszufinden, was man tun kann, doch sie ist noch nicht zurückgekehrt. Deswegen sagte ich, es sei zu früh.“
„Und was tun wir jetzt?“
„Ihr müsst vor allem die Götter davon abhalten, sich von den Dolchen treffen zu lassen. Das können weder Pan noch ich – wir sind beide keine guten Diplomaten, und die anderen Gottheiten mögen uns nicht, weil wir uns von ihnen abgewandt und uns den Feenköniginnen angeschlossen haben, obwohl wir selbst Götter sind – und schlimmer noch, wir haben den Königinnen unsere Gefolgschaft geschworen. Die Götter wollen das nicht hören, aber die Feenköniginnen sind mächtiger als sie.“
Edward wollte wissen, ob die Outsider Schwächen hätten.
„Sie verstehen die Menschen ebensowenig, wie ihr sie versteht“, erwiderte Tanit. „Sie verstehen Liebe nicht, verstehen Glauben nicht. Ihr solltet wissen, dass Dinge angestoßen worden sind“ setzte sie noch hinzu, „aber es wird dauern, bis diese Dinge wirklich in Gang kommen. Und bis das geschieht…“ – sie sah uns ernst an – „spielt auf Zeit und hindert Oshun daran, sich ins Messer zu stürzen. Ich melde mich, sobald Chloe zurück ist.“
Als Yahaira uns zurück zum Boot brachte, gratulierte sie mir noch zur Hochzeit, auch wenn sie nicht so schön gewesen sei.
„Die Einladung war ernst gemeint“, sagte ich, „ich hätte mich gefreut, wenn du gekommen wärst.“
„Das kam auch an“, erwiderte sie, „aber ich dachte, das wäre nicht so diplomatisch gewesen.“
Ich nickte. „Vielleicht hast du recht, aber die Einladung war trotzdem ernst gemeint.“
Das brachte mir von Yahaira ebenfalls ein Nicken ein. „Das weiß ich. Ich kenne dich ja inzwischen ein bisschen, und gut genug, dass ich das weiß.“
Damit pustete sie in Richtung unseres Bootes, und für die Heimfahrt hatten wir vollkommen ruhiges Fahrwasser.
Wieder an Land, überlegten wir natürlich, wie wir Oshun von einem direkten Angriff auf Jak abhalten sollten, ohne es uns mit ihr zu verscherzen. Womöglich wusste sie noch gar nicht, dass eine Chance bestand, dass Shango und Loki zurückkehren könnten?
„Verdammter Mist, dass Oshun sich Ares zur Unterstützung geholt hat und nicht Athena oder so“, brummte Edward.
Totilas zuckte mit den Schultern. „Ares ist halt genau das, was Oshun will: einfach draufprügeln.“
„Das ist genau das, was ich früher gemacht hätte“, gab Edward zu, „aber das ist der falsche Ansatz.“ Er unterbrach sich. „Habe ich das gerade gesagt? Mist.“
Ich musste grinsen. „Wir färben aufeinander ab, Kumpel.“
Edward schnaubte. „Lern nur nicht zu viel von mir.“
Der nächste Satz kam von uns beiden genau gleichzeitig: „Mist… zu spät.“
Aber ernsthaft. Als wir fertig waren mit Schmunzeln, fragte Edward Roberto und Alex, was sie alles über Oshun wussten. Es war uns ja nicht völlig neu, aber sie bestätigten noch einmal, dass Oshun die Orisha der Liebe, der Schönheit, des Reichtums, der Fruchtbarkeit, des Wassers und der Flüsse sei. Normalerweise sei sie niemand, die ihren Gegnern einfach direkt aufs Maul haue, sondern eigentlich gehe sie lieber subtil vor.
Hmm. Dann war das ja vielleicht jetzt auch eine Möglichkeit, bei ihr anzusetzen: ihr beizubringen, dass sie wesentlich erfolgreicher sein könne, wenn sie Shango stärken würde, statt Jak frontal anzugreifen – diese Strategie wäre erstens erfolgversprechender und zweitens schmerzhafter für die Outsider.
Davon mussten wir sie nur überzeugen – und wenn Oshun überzeugt wäre, würde Ares hoffentlich auf Oshun hören und ebenfalls Ruhe geben.
Wir trafen die Orisha in einer kleinen Bodega (oder besser Faux-dega, die eher für das Anglo-Publikum gemacht war), wo sie mit Ares saß und gerade der Kellnerin ins Gewissen redete, dass sie sich von ihrem Freund nicht alles gefallen lassen solle.
Nachdem die Kellnerin abgezogen war, eröffnete Roberto seiner patrona, dass Shango hoffentlich noch nicht verloren war, dann ging ich ein wenig mehr ins Detail und berichtete davon, dass die Leute, die die Dolche benutzten, über kurz oder lang selbst wieder von den Gottheiten übernommen wurden, die sie ermordet hatten, und Edward skizzierte ein Ritual, mit dem dieser Vorgang unterstützt werden könnte. Alex wirkte auf seine zurückhaltende Art ebenfalls beruhigend auf Oshun ein, während Totilas Ares in ein Gespräch zog.
Wir merkten, dass wir Fortschritte bei Oshun machten, aber es dauerte eine Weile. Die Orisha war schon fast überzeugt, aber wir konnten spüren, dass sie es einigermaßen genoss, gebeten zu werden, und außerdem musste sie ihr Gesicht wahren und durfte es nicht so aussehen lassen, als würde sie zu schnell einknicken.
Ares merkte von all dem tatsächlich nichts, aber er wurde langsam ungeduldig und wollte endlich losziehen, diesem Jak auf die Fresse hauen, Totilas‘ Anstrengungen, ihn abzulenken, hin oder her. Am Ende wusste unser White Court-Kumpel sich nicht länger zu helfen, als das zu tun, was White Court-Vampire eben tun… er fing an, heftig mit Ares zu flirten, und dann zogen die beiden tatsächlich gemeinsam ab.
Oshun schien gar nicht so undankbar darüber, dass Ares nicht mehr da war, und unterhielt sich jetzt angeregt mit Edward über seine Idee zu dem Ritual. Sie hatte grundsätzlich eine etwas andere Herangehensweise – Rituale waren für sie etwas, das Sterbliche ihr darbrachten oder in ihrem Namen ausführten, nichts, bei dem sie selbst aktiv war –, aber sie hörte Edward interessiert zu.
Schließlich gestand er: „Ich habe das Wissen, aber nicht die Kraft dazu.“
„Du willst, dass ich deinen Geist beschütze“, stellte Oshun nüchtern fest.
„Genau.“
Oshun überlegte. „Wir sollten lieber erst einmal Cicerón und Shango in Cicerón stärken.“
„Ja, stimmt“, nickte Edward, „Cicerón verstehe ich besser, der ist ein Mensch, und er und ich sind uns ehrlich gesagt ziemlich ähnlich. Jak verstehe ich so gar nicht.“
Das Ritual musste natürlich vorbereitet werden, aber das war Oshun zu langweilig, denn das würde ein paar Stunden dauern. Roberto solle sie rufen, wenn es soweit sei.
„Wir werden Shango wiederfinden“, sagte Roberto zum Abschied.
„Ich verlasse mich darauf“, erwiderte sie, und ging.
Bei dem Ritual hätten wir eigentlich Totilas gerne dabei gehabt, aber der ging nicht an sein Telefon, und über unser gemeinsames Bewusstsein bekamen wir nur mit, dass er … nun ja, sagen wir: ungezügelt der Kampfeslust frönte. Offenbar hatte er, nachdem die beiden abgezogen waren, mehr getan als nur mit Ares geflirtet, und offenbar hatte er dabei der griechischen Gottheit mehr abgesaugt als nur körperliche Lust, sondern eben auch die Lust am Töten, Zerreißen und Knochenbrechen. Ich – und ich glaube, den anderen ging es genauso – wollte gar nicht so genau zu diesem Teil unseres Guardian-Bandes hindenken.
Wie dem auch sei, wir wollten Shango und Cicerón stärken, aber sie waren ja nicht hier, und trotz unseres Bewusstseins für Miami wussten wir nicht, wo sie waren. Aber wir hatten einige Gegenstände von Cicerón und unsere generelle Guardian-Verbindung zu ihm, das musste reichen. Und außerdem würde das Ritual natürlich sehr Santeria-lastig und Shango-bezogen werden, was bedeutete, dass Roberto ein großer Teil dabei zukam. Einen Orisha in einem Sterblichen zu stärken, war nicht weiter schwer; die Gefahr war nur, dass wir eventuell Shango so sehr stärken würden, dass Cicerón darin völlig untergehen könnte. Dieser Balanceakt musste uns irgendwie gelingen: Shango zurückbringen, aber Cicerón darüber nicht verlieren.
Deswegen… ich wusste, ich würde das möglicherweise bereuen, aber ich bot an, beim Ritual mit der Magie des Sommers den Blitzableiter zu spielen. Alex wiederum schützte den Weg, der geöffnet werden sollte, damit nichts mit zurückkäme, das nicht mit zurückkommen sollte.
Oshun hatte von Roberto auch Bescheid bekommen, dass es losging, und stand bereit, um Roberto und Edward mit ihrer Kraft zu unterstützen.
Anfangs ging alles glatt. Edward leitete wie immer das Ritual, und wir konnten spüren, dass er seine Magie genau im richtigen Maß einsetzte, die Balance genau hielt. Aber gerade dieses Maßhalten wurde mit zunehmender Dauer zum Problem, und kurz vor dem Ende drohte Edward die Kraft auzugehen. Wir konnten fühlen, wie Oshun schon einen großen Schub ihrer Orisha-Macht in Edward leiten wollte, aber im letzten Moment zapfte Edward seine letzten Reserven an und schob sie in das Ritual. Es war ein klein wenig zu viel, aber das, was da zu viel war, konnte ich problemlos abziehen und harmlos verpuffen lassen.
Das Problem war nur: Oshun schickte ihre Macht dennoch – was wir von ihr mitbekamen, war ein Gefühl von Shango gehört ihr, und sie ist eine Orisha, und sie will nicht nur daneben stehen, während die Sterblichen ihren Liebsten zu retten versuchen. Sie legte Edward die Hand auf die Schulter, und einen Moment lang konnten wir einen Schwall Wasser und unbändige Liebe zu Shango spüren, während sie ihre Kraft in Edward leitete.
Das würde Cicerón vernichten und nur Shango übrig lassen, und so lenkte ich mit allem, was ich hatte, die gebündelte Stärke der Guardians dagegen. Es gelang mir, einen Großteil des Stroms aufzufangen und auf mich abzuleiten, aber das hatte zur Folge, dass ich mich für den Moment völlig überwältigt fühlte von Oshuns Macht. Aber dann war das Ritual beendet, und wir alle sackten ein bisschen in uns zusammen.
„Wo ist Shango?“, fragte Oshun. „Roberto, ist Shango wiedergekommen?“
„Ich kann Cicerón wieder spüren…“, murmelte Roberto, und ja, das konnten wir tatsächlich alle, auch wenn die Verbindung schwach war und auf- und abebbte wie schlechter Handyempfang.
Und genau das war der Moment, in dem Totilas anrief.
Unser White Court-Kumpel sah extrem zufrieden und gesättigt aus, als wir uns mit ihm trafen, wenn auch etwas blutverschmiert, und er hatte Ares nicht mehr im Schlepptau. Was genau er mit der griechischen Kriegsgottheit angestellt hatte, sagte er nicht, das wollten wir aber auch gar nicht so genau wissen.
Jedenfalls machten wir uns gemeinsam auf die Suche nach Cicerón. Unsere schwankende Verbindung führte uns zu einem Mann, der wie betrunken die Straße entlangwankte. Er sah ein wenig aus wie Cicerón, aber nicht komplett. Brandwunden, die aber bereits langsam verschwanden, bedeckten seine Haut, und er murmelte vor sich hin: „Shango, Feuer, Kampf, ich bin…“
Seine Augen waren völlig ausgebrannt, nur noch leere Höhlen, aber als wir neben ihm ausstiegen und auf ihn zugingen, Totilas voran, wandte er ihm den Kopf zu.
„Ich kenne dich“, sagte der Mann zögernd, „du bist Totilas.“
„Und du bist Cicerón“, erwiderte unser Kumpel.
„Ich bin Cicerón… Ich bin Shango… Ich bin…“ – seine leeren Augenhöhlen begannen zu flackern, als sich Flammen darin bildeten.
„Shango, du musst zurück in deinen eigenen Körper“, sagte Totilas ernst.
„Das ist jetzt mein Körper“, kam es sofort von der Gestalt zurück.
„Dann willst du also den Outsidern den Sieg überlassen?“
Bei der Frage fauchte Shango und blies flammenden Atem in Richtung Totilas, aber der blieb einfach stehen, und offenbar war der Orisha zu schwach, um dem Weißvampir irgendwelchen Schaden zuzufügen, und gleich darauf brach Shango leise murmelnd in sich zusammen.
Wir sammelten ihn ein und fuhren zurück zu Edward, wo Oshun wartete und dem Bewusstlosen sanft über die Wange strich. „Das ist nur ein Teil von Shango“, sagte sie dann.
„Das ist ein Anfang“, erwiderte Totilas, und die Orisha nickte.
„Ich nehme ihn mit“, erklärte sie, „dann wird der Körper sterben, und der Teil von Shango, der in Menschen fährt, ist dann wieder frei.“
Ähm.
Wir konnten sie dann zum Glück doch überzeugen, dass es eine dumme Idee wäre, Cicerón sterben zu lassen – immerhin gehört er zu Shangos wichtigsten Anhängern, hat ihn gerettet und ist ein wichtiger Teil dessen, was Miami schützt.
Daher akzeptierte sie schließlich den Gedanken, Shangos Selbst in einem anderen Körper wachsen zu lassen, bis er wieder voll bei sich sei. Genug Anhänger, die sich dafür anbieten würden, hat er ja.
„Und da kommt auch schon jemand!“ Der Jemand war Febe, die sich ehrlich entsetzt über das zeigte, was Cicerón zugestoßen war. Wir erklärten ihr die Situation, und ich fragte sie, ob sie jemanden kenne, der bereit wäre, Shango in sich aufzunehmen, aber Febe bestand darauf, das selbst zu tun. Es sei auch nicht das erste Mal, sagte sie.
Und so tat sie irgendetwas, wodurch Flammen aus Cicerón in Febe hinüberzogen und Oshun dann Febe innig umarmte. „Ich habe mir solche Sorgen gemacht!“ Febe/Shango lächelte. „Das bekommen wir schon hin“, sagte er/sie, und dann verschwanden die beiden.
Wir hatten indessen auch schon Totilas‘ Arzt verständigt, der uns ja kennt und keine Fragen stellt, und nun wurde Cicerón von einem Krankenwagen abgeholt. Jetzt bleibt nur zu hoffen, dass Cicerón irgendwie wieder der Alte wird – Byron White Eagle hat sich ja von den schweren Verletzungen, die Stefania Steinbach und die Vampire ihm damals beigebracht hatten, auch schneller und besser erholt, alsdie Ärzte das erwartet hätten, und bei Vanessa Gruber war es nach der Sache am Crater Lake genauso. Vielleicht hat ja auch Cicerón Magie genug, dass er wieder wird… Er mag zwar ein Gangster und ein Verbrecher sein, aber er ist auch ein Verbündeter und ein Guardian.