[RPG-Blog-O-Quest] Mai 2018: „Mitspieler“

Es ist wieder einmal Zeit für eine neue Ausgabe der RPG-Blog-O-Quest. Die Aktion wurde ja vor etwas über 2 1/2 Jahren von Greifenklaue und Würfelheld ins Leben gerufen, aber seither auch immer wieder einmal von anderen Rollenspielbloggern ausgerichtet, die der deutschsprachigen Rollenspielblogszene jeden Monat fünf Fragen zu ganz unterschiedlichen Themen stellen. Diesen Mai hat Blechpirat die Federführung der Quest inne und ruft, passend zum Wonnemonat, ein Loblied auf die Mitspieler aus. Es sind sehr schöne Fragen, deren Beantwortung mir sehr leicht gefallen ist und viel Spaß gemacht hat.

Die Fragen:

  1. Man hat ja oft eine Vorstellung davon, wie eine Szene ablaufen könnte. Spieler sind legendär dafür, oft völlig unerwartete Wege zu finden. Was war für dich die tollste Abweichung?
  2. Huch, grober Fehler: Regel falsch angewendet, keine Idee, wie es weitergeht, Blackout, Liebeskummer – wie hat dein (Mit-)Spieler die Situation gerettet?
  3. Ganz abstrakt: Wer sitzt an deinem Tisch? Taktiker oder Dramaqueen, Rechtsanwältin oder Grafikdesigner, Vater oder Tochter – keine Namen sondern Typen.
  4. Auch abseits des Spieltisches sind Spieler Menschen und oft auch Freunde. Was hat dich im echten Leben am meisten an den Mitspielern beeindruckt?
  5. Welche Aktion deiner (Mit-)Spieler am Tisch ist für dich die großartigste, unvergesslichste, bereicherndste, albernste, unerwarteste gewesen, die du je erlebt hast?

Timbers Antworten:

1. Man hat ja oft eine Vorstellung davon, wie eine Szene ablaufen könnte. Spieler sind legendär dafür, oft völlig unerwartete Wege zu finden. Was war für dich die tollste Abweichung?
Eine der gravierendsten Abweichungen, an die ich mich aus meiner Rollenspielkarriere so erinnern kann, geschah letztes Jahr auf der DZ-Con, als ich das norwegische Indie-RPG „Itras By“ leitete. Dieses Spiel verfügt über Zufallskarten, die das surrealistische Gepräge des Settings unterstreichen sollen und die größtenteils auch keinen so sonderlich großen Einfluss auf den weiteren Fortgang der Geschichte haben, teilweise aber auch das Potential haben, den Plot in eine komplett andere Richtung zu drehen. (Ein bisschen mehr Info zum System und zum Setting findet sich hier.)

In dieser Session jedenfalls zog ein Spieler im Moment, wo sie am meisten beeinflussen konnte, die eine Karte, die vermutlich so ziemlich die größtmögliche Auswirkung auf das Spiel hatte. Eigentlich hatte ich mir ja einen groben Plot ausgedacht, in der die Tochter eines verrückten Professors eine von ihrem Vater erfundene Maschine verwendet, um Unsinn damit anzustellen und im Kleinen ihren Widerstand gegen die Tyrannin, die über die Stadt herrscht, auszudrücken.
Die Charaktere stoßen auf das Bild ihres Vaters und fragen natürlich, ob sie den Mann kennen.

Ich hatte schon den Mund geöffnet, um dem Wissenschaftler der Gruppe mitzuteilen: ‚Du kennst diesen Mann von der Universität, es ist ein Professor für Enzephalokosmetologie‘, da sagte jemand: „Ich ziehe meine Zufallskarte!“. Und die gezogene Karte lautete: „Ein Gerücht macht die Runde.“ Mit anderen Worten, angefangen vom kartenziehenden Spieler geht die Stille Post reihum, und bei jeder Station wird das weitergegebene Gerücht aufgebauscht und ‚größer‘. Sobald alle einmal an der Reihe waren, spricht der Kartenzieher das Endergebnis laut aus, und dieses Endergebnis wird als Fakt in die Geschichte aufgenommen.

Wie gesagt: Eigentlich hatte ich den Mann auf dem Bild gerade zuvor noch als Wissenschaftler identifizieren wollen. Aber das hatte ich ja noch nicht, und das konnte ich dann auch nicht mehr, denn das Gerücht ging folgendermaßen:

  • Der Mann auf dem Bild ist der Sohn des Polizeichefs
  • Der Mann auf dem Bild ist der Polizeichef selbst
  • Der Mann auf dem Bild ist hat sich nur täuschend echt als Polizeichef maskiert
  • … und er plant ein Attentat auf die Tyrannin der Stadt
  • … und das Attentat ist schon heute abend!

Tja. Soviel zum Thema vorbereiteter Plot. Aber das Weiterspielen war ein richtig großer Spaß.

2. Huch, grober Fehler: Regel falsch angewendet, keine Idee, wie es weitergeht, Blackout, Liebeskummer – wie hat dein (Mit-)Spieler die Situation gerettet?
Ein „grober Fehler“ war es zwar nicht, aber „Situation gerettet“ oder zumindest „Situation extrem cool gelöst“ war es definitiv: Für meinen Monsterjäger-Charakter hatte ich zu Spielbeginn definiert, dass er seine Angehörigen seit 10 Jahren nicht gesehen hatte und seine Leute denken mussten, er sei tot. Als sich dann im Verlauf der Kampagne zunehmend herauskristallisierte, dass er seine Familie aufsuchen würde, wollte ich dieses erste Wiedersehen nach so langer Zeit nicht einfach hinter den Kulissen abfrühstücken oder selbst in einem Diary handwedeln, wie das Treffen verlaufen würde. Daher übernahmen vier meiner Mitspielerinnen für eine gesamte und hoch emotionale Session die Familien-NSCs aus dem Hintergrund meines Charakters, während ich als einzige meinen SC spielte. Die Familien-NSCs waren bis dahin nur ganz grob definiert gewesen waren, und meine Mitspielerinnen setzten sich zusammen, planten ein bisschen, wie die bei einer Rückkehr des verlorenen Sohnes so reagieren würden, und gaben ihnen deutliche Kontur. Das Ergebnis war sehr, sehr cool, und dass sie das für mich gemacht haben, das weiß ich auch heute noch echt zu schätzen.

3. Ganz abstrakt: Wer sitzt an deinem Tisch? Taktiker oder Dramaqueen, Rechtsanwältin oder Grafikdesigner, Vater oder Tochter – keine Namen sondern Typen?
Wer sitzt an meinem Tisch? Hmmm. Ganz oft ‚die Hühner‘ – so genannt, weil in dieser Runde nur Frauen mitspielen. In der Hühnerrunde spielen wir meistens spielleiterlose One-Shots mit Dramafokus. Ein Thema wird vorher gemeinsam bestimmt sowie auch die Charaktere und ihre Verknüpfung im Vorfeld mehr oder weniger detailliert ausgearbeitet, damit wir am eigentlichen Spielabend nach themen-passendem Kochen gleich loslegen können. Da hatten wir schon ganz großes Kino dabei. Tränenseliges Drama, als unsere Charaktere die Fahrt der Titanic miterlebten, düster-morbide-übernatürlichen „Angel Heart trifft Gabriel Knight trifft Mitternacht im Garten und Böse trifft Poppy Z. Brite“-Grusel, locker-lustiges Abenteuer mit Luftpiraten, bittersüßes Roadmovie à la „Little Miss Sunshine“, romantisches Drama à la Jane Austen oder Skurrilitäten im Stile von „Grand Budapest Hotel“.

In meiner wöchentlichen Feierabendrunde sitzen zu ungefähr gleichen Teilen BibliothekarInnen und IT-ler, die zum größten Teil auch die Belegschaft unserer Dresden Files-Kampagne abdecken, und unsere Monsterjäger-Poolgruppe besteht aus einer so großen Spielerbasis, dass ich da gar nicht weiß, was alle so beruflich machen. Aber ihnen allen ist die Freude am Plot-und-Action-mit-Drama gemeinsam.
Oh, und jetzt nicht speziell bei den Monsterjägern, aber so generell in meinem RP-ler-Bekanntenkreis sind auch noch einige PsychologInnen dabei.

4. Auch abseits des Spieltisches sind Spieler Menschen und oft auch Freunde. Was hat dich im echten Leben am meisten an den Mitspielern beeindruckt?
Wie einige MitspielerInnen souverän Elternsein und Rollenspiel vereinbaren. Wie viele von ihnen tatsächlich gute Freunde geworden sind. Wieviel Wissen sie alle in sich vereinen – es gibt kaum ein RL-Thema oder eine RL-Sorge, zu denen ich nicht mindestens einen meiner MitspielerInnen um Rat fragen könnte.

5. Welche Aktion deiner (Mit-)Spieler am Tisch ist für dich die großartigste, unvergesslichste, bereicherndste, albernste, unerwarteste gewesen, die du je erlebt hast?
Da fällt mir eine Geschichte aus unserer langjährigen Deadlands Classic-Kampagne ein, die zu einem echten Evergreen der zitierwürdigen Anekdoten geworden ist.
Die Gruppe bricht, um ein für den Plot wichtiges Relikt aus einem Museum zu stehlen, des Nachts in selbiges Museum ein. Natürlich ist in dem Gebäude ein Wachmann unterwegs, und als er seine Runde macht, verstecken sich alle im Raum. Bei einigen Gruppenmitgliedern klappt das Verstecken ganz gut, andere schaffen es nicht, und der Huckster (der sich als Bühnenmagier „der Große Modestus“ tarnt, damit man ihm nicht anmerkt, dass er wirklich zaubern kann) patzt mit Pauken und Trompeten. Statt dass er sich in Dunkelheit hüllt, passiert das genaue Gegenteil: Ein gleißender Lichtstrahl fällt auf den Magier, und es ertönt eine Fanfare. Natürlich wird der Wachmann aufmerksam und fährt herum, wo der Große Modestus vom übernatürlichen Spotlight beschienen wird. Dessen Spieler, nicht faul, breitet die Arme aus und ruft mit Stentorstimme: „Fürchte dich nicht, mein Sohn!“
Der Wachmann war derart perplex, dass er dem ‚Gesandten des Himmels‘ das gesuchte Relikt anstandslos überließ.

Die Regeln der RPG-Blog-O-Quest:

  • An jedem Monatsersten stellt, in abwechselnder Reihenfolge, entweder Greifenklaue oder Würfelheld dem deutschsprachigen Rollenspielvolk fünf Fragen/Lückentexte. Die Veranstalter bitten darum, diese Fragen auf Blogs, in Podcasts, Vlogs oder in Foren zu beantworten (bzw. die Lückentexte auszufüllen).
  • Jeder Monat widmet sich einem Hauptthema, um das sich die Fragen drehen.
  • Über die Zusendung der Links, per Mail, Kommentar, usw. freuen die Organisatoren sich.
  • Jeder, der sich die Zeit nimmt, die fünf Fragen zu beantworten, ist herzlich willkommen.
  • Die verschiedenen “RPG-Blog-O-Quest” Logos dürfen in den Beiträgen benutzt werden.

Eine Auflistung aller RPG-Blog-O-Quests, an denen ich bisher teilgenommen habe, findet sich hier.

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