Miami Files – Ghost Story 8

Während Alex schnell den Dolch einsammelte, den die Outsider-Kultistin hatte fallen lassen, und Bjarki und Haley ihren älteren Kumpan aufsammelten und abtransportieren (Memo an mich: Wir sollten die beiden wegen Outsider-Korruption untersuchen – keine Ahnung, ob die auch auf Gottheiten oder Halbgottheiten übergreifen kann), galt meine erste Sorge Lidia, den Mädchen und unseren Familien. Es ging allen gut, gracias a Dios, also konnte ich mich nach den anderen umsehen und mich um die Gäste kümmern.

Ilyana Elder saß draußen vor der Halle, von zahlreichen blauen Flecken gezeichnet, und drehte die Yansa-Maske in der Hand – ganz offentlich am Überlegen, ob sie sie aufziehen solle oder nicht.

Dee war mit einem hochkonzentrierten Gesichtsausdruck dabei, die Wards zu überprüfen, die für die Feier über die Location gelegt worden waren. Eigentlich sahen sie unversehrt aus und nicht so, als hätte sich jemand daran zu schaffen gemacht, aber als Dee die Kreidestriche nachfahren wollte, zerfielen diese zu einem geradezu abartig ekelhaft stinkenden Staub.

Ximena hockte auf den Fersen an der Stelle, wo Loki erstochen worden war, malte dort Runen auf den Boden und starrte fasziniert darauf. Ángel hingegen stand etwas verloren in einer Ecke und betete inständig, während Alex herumwanderte und Dinge richtete und zu reparieren begann – wie er das immer macht, wenn er aufgewühlt ist und runterkommen muss. Totilas wanderte ebenfalls herum, aber unterhielt sich mit unterschiedlichen Leuten, um zu rekapitulieren, was eigentlich passiert war. Und Bjarki sagte etwas von wegen ’sehen, ob ich sie finden kann‘, und verließ die Halle. Kurze Zeit später konnten wir Guardians spüren, wie er sich als Falke in die Lüfte erhob und davonflog.

Roberto kümmerte sich um Oshun, versuchte seine patrona irgendwie zu trösten. Ich konnte sehen, wie deren Trauer allmählich einer verzehrenden Wut wich und sie schließlich sagte: „Das nehmen wir so nicht hin, Roberto.“ Febe hörte das und gesellte sich zu den beiden. „Wir müssen Cicerón finden.“ Sie hatte ihr Smartphone in der Hand und drückte immer wieder auf Wahlwiederholung – Ciceróns Nummer, wie es schien. Offenbar mag Febé den Anführer der Santo Shango mehr, als ich gedacht hatte.

„Wir werden Shango retten“, sagte Oshun indessen, „ihn retten oder ihn rächen. Ich werde die Welt auf den Kopf stellen. Ich werde Verbündete suchen. Ich weiß, auf dich kann ich zählen, Roberto. Halte dich bereit, es wird nicht lange dauern.“ Und damit verschwand sie.

Edward fand Cherie, die er während des Kampfes aus den Augen verloren hatte. Es ging ihr soweit gut, aber sie war etwas angeschlagen, weil sie mit einer der Halsbandkreaturen gekämpft hatte. Sie sah hungrig aus, und ihre Augen glitzerten silbrig. Ich konnte sehen, wie sie einige Worte mit Edward wechselte – später erzählte er mir, dass sie sagte, sie müsse etwas ‚essen‘, aber das wolle sie nicht an Edward. „Wir sollten das irgendwann wieder machen, aber ohne das ganze Drama“, schlug er vor. „Das würde mir gefallen“, erwiderte Cherie, dann ging sie.

Donar Vadderung – Odin – sah völlig erledigt aus. Er ging zu Eleggua, und ich stand gerade nah genug bei den beiden, dass ich hören konnte, was gesagt wurde, auch wenn Odin leise sprach. „Trickster, was war dein Plan? Du warst derjenige, der uns alle hier zusammengerufen hat, also was war dein Plan?“ Eleggua machte ein erstauntes Gesicht: „Ähm, nichts?“ „Ich weiß es genau!“, hielt ihm Odin finster entgegen, „Dir war Loki schon immer ein Dorn im Auge. Du wolltest ihn loswerden, weil er Trickster-Konkurrenz für dich war. Das wird ein Nachspiel haben!“ Und mit diesen Worten rauschte er davon. 

Ich wollte ihm nach, aber ich war gerade mit Tante Rosalia im Gespräch, die sich begeistert darüber ausließ, wie schön die Feier war, wie lecker der Kuchen war, wie nett Lidia war und wie sehr sie uns von Herzen alles Gute wünschte, und so war Totilas schneller. Was gesagt wurde, erfuhr ich erst später, aber das war der Dialog:

„Es wäre im Sinne des Gegners, wenn Sie sich mit Ihresgleichen bekämpfen, werter Odin“, fing unser Kumpel an, als er den Asen erreicht hatte.

„In deinem Sinne auch, oder?“
„Nein“, erwiderte Totilas ruhig.
„Ich kenne doch deinesgleichen“, knurrte Odin. „Ich habe keine Geduld mit deinen White Court-Spielchen!“
Mit diesen Worten stieg er in sein Auto und war weg, und ich konnte dem davonfahrenden Wagen nur noch hinterherschauen. Mierda.

Währenddessen trat Edward, der Odins Ansprache ebenfalls gehört hatte, zu Eleggua (auch das erfuhr ich natürlich erst hinterher) und fragte unumwunden: „Was war denn der Plan?“
Eleggua sah Edward mit undurchdringlicher Miene an. „Ich dachte, der Plan war, eine Hochzeit zu feiern.“
„Das dachte ich auch“, hielt Edward entgegen, „aber…“
„Ich hätte gedacht, es wäre ein gutes Bollwerk gegen genau so etwas, aber ein Plan war es nicht.“
Edward schnaubte. „Das ist ja mächtig nach hinten losgegangen.“
„Ich habe die Nordischen absichtlich nicht eingeladen“, setzte Eleggua hinzu, „die sind von selbst hier aufgetaucht.“
„Ich habe gehört, wenn man mit den Dolchen eine Gottheit umbringt tötet, dann nimmt man deren Kraft in sich auf, aber man kann sie nicht für sich behalten, sondern wird davon überwältigt, und die Gottheit kommt irgendwann wieder“, wechselte Edward nun das Thema.
„Wenn keine Outsider beteiligt sind, ist das der normale Weg, ja.“
„Kann man das vielleicht fördern? Loki in Jak stärken?“
„Nicht, ohne selbst Schaden zu nehmen. Das ist, als wolltest du etwas aus dem Feuer holen – dazu musst du selbst hineingreifen. Edward, du bist ein Sterblicher, du würdest Schaden nehmen. Aber wenn du das willst…“
Jetzt kam Alex dazu, der die letzten Worte Elegguas mitbekommen hatte. „Roberto sollte dringend mit Oshun reden, denn die will in dieses Feuer hineinspringen, und das ist eine schlechte Idee.“
„Wer ist eigentlich bei den Nordischen für Magie zuständig?“, wollte Edward jetzt wissen.
„Das könntet ihr Haley fragen“, schlug Eleggua vor.

Und das war der Moment, in dem auch ich zu dem Grüppchen trat: frustriert, weil ich nicht mit Odin hatte reden können. Eleggua verabschiedete sich, weil er die Wege überprüfen wollte, die Jak entlanggekommen sein musste, die ihm aber eigentlich verwehrt hätten sein müssen. Aber bevor er ging, wandte er sich an mich: „Du kennst dich doch mit Feen aus. Die Winterfeen sind dafür zuständig, dass keine Outsider hereinkommen. Du könntest ihnen bescheid sagen, dass sie ihren Job nicht machen.“ Ähm.

Ungefähr in diesem Moment fiel uns allen auf, dass Bjarki nicht da war. Oder besser, dass sich da irgendwo in der Stadt, ziemlich genau bei Adlenes Haus, ein blinder Fleck befand, der schmerzte. Und dass Bjarki dort in der Nähe war und dass es ihm überhaupt nicht gut ging. Cicerón hingegen war überhaupt nicht zu spüren, jetzt wo wir uns darauf konzentrierten. 

Alex, Edward und Totilas brachen auf dorthin, wo wir Bjarki fühlen konnten – Roberto ging nicht mit, und ich begleitete sie auch nicht, weil es komisch ausgesehen hätte, wenn ich als Gastgeber mitgegangen wäre. Deswegen blieb ich da und kümmerte mich weiter um unsere Gäste – und geriet jetzt doch mit Enrique aneinander, weil der es gelinde gesagt scheiße fand, dass Jandra mit einem Messer herumhantiert hatte und bereit gewesen war, damit zu kämpfen, und jetzt begeistert fragte, ob sie das lernen und trainieren dürfe. Ich konnte Enrique sogar verstehen, aber trotzdem konnte ich das gerade so gar nicht brauchen.

Immerhin aber sorgten die noch anwesenden Gottheiten irgendwie dafür, dass die unmagischen Gäste sich nicht an die Sache erinnerten – wenn ein Mensch diesen Zauber gewirkt hätte, wäre es ein eklatanter Bruch der magischen Gesetze gewesen, aber das waren ja keine Menschen. Jedenfalls hatten die unmagischen Gäste nur eine vage Erinnerung daran, dass irgendjemand betrunken kurz Ärger gemacht hätte, bevor die Feier erfreulich und schön weiterging.

Wieder erfuhr ich das, was jetzt kommt, erst später, aber in der Nähe von Adlenes Haus fanden die anderen eine steinerne Statue, die wie Bjarki aussah. Eine sichtlich verblüffte Passantin erzählte, dass ein Vogel in einen Luftballon geflogen sei, und dann sei plötzlich dieser Stein vom Himmel gefallen. Außerdem sagte sie verwirrt, sie könne ihre Straße nicht mehr finden. Totilas versuchte, ihr weiszumachen, das habe mit einem Bühnenmagier und dessen neuer Show zu sein, aber das war keine so gute Idee, weil die Anwohnerin das zwar glaubte, nun aber ungehalten wurde und forderte, den Manager des Magiers zu sprechen, weil sie ihre Straße zurückhaben wollte. Er sei der Manager, erklärte Totilas, allein die Dame ließ sich nicht beruhigen und rief die Polizei.

Schnell entschlossen rief Edward parallel dazu ebenfalls bei der Polizei an, genauer gesagt beim SID, und warnte Alison Townsend, dass magische Schwergewichte eine ganze Straße verschleiert hätten und das SID sich nicht mit denen anlegen solle.

Die Frau landete nach einigen Weiterleitungen ebenfalls bei Lieutenant Townsend und wurde von dieser vertröstet. Daraufhin stritt sie sich weiter mit Totilas und begann schließlich, die Szene mit dem Handy zu filmen.

Alex konnte die verlorene Straße in seinem Geist noch finden – sie war genau dort, wo es wehtat hinzudenken, und dort war auch ein gewisses Flimmern in der Luft. Alex wollte es ausprobieren und, mit einem Seil gesichert, schauen, was an dem Ort los war, aber mit dem Hinweis darauf, dass Bjarki dringend Hilfe brauchte, konnte Edward ihn davon abhalten.

Totilas lieferte sich indessen ein Duell im Anstarren und mit-Anwälten-drohen mit der Passantin, aber am Ende war es Totilas, der die Frau so sehr einschüchterte, dass sie das Video schließlich löschte, nach einem Taxi telefonierte und abzog. Alex wollte sie noch aufhalten, um herauszufinden, ob sie eine Adresse für die nächsten Tage hätte, aber sie war offenbar gut situiert – und ‚Karen‘ – genug, um ihn keines Blickes zu würdigen, bis ihr Taxi kam.

Mit vereinten Kräften und Einsatz ihrer übernatürlichen Stärke luden die Jungs die Bjarki-Statue ins Auto, und während Alex fuhr, machte sich Edward schon einmal erste Gedanken für ein Ritual, um ihn wieder zu entsteinern. Totilas indessen betrachtete Bjarki in der Sight, um herauszufinden, ob der Isländer überhaupt noch lebte. Er sah Lokis Sohn in einer engen Höhle, tatsächlich noch am Leben, aber umgeben von zahllosen roten Luftballons. Es fiel Totilas etwas schwer, sein drittes Auge wieder zu schließen, aber schließlich gelang es ihm doch. 

Währenddessen stand ich im Hotel gerade kurz mit Roberto zusammen; wir unterhielten uns über die Feier unterhalten und darüber, dass ich mir diese Hochzeit ganz anders vorgestellt hatte – auch wenn es immerhin in diesem Fall gut war, dass der Vorfall für die ’normalen‘ Gäste etwas unter den Teppich gekehrt worden war. Allmählich dauerte es aber ganz schön lange, bis die anderen zurückkamen, also rief Roberto bei Alex an, um sich zu erkundigen, was los war. Der erzählte von Bjarkis Situation (hier hörte ich jetzt einen Teil dessen, was ich oben schon aufgeschrieben habe) und bat Roberto, alle Guardians, die noch auf der Feier seien, zusammenzutrommeln, damit wir Bjarki entsteinern könnten. 

Da ich noch Hochzeitsfeierverpflichtungen hatte, ging Roberto los, um zu schauen, wen er alles finden konnte. Wie es aussah, waren nur noch Ximena und Ángel da, die er über die Lage informierte und darüber, dass Bjarki zu einer Steinstatue geworden sei. Das verwunderte seine beiden Geschäftspartner aber nicht im Geringsten, und Ximena erklärte, das sei gar nicht ungewöhnlich, weil Bjarki sich in alles verwandeln könne, nicht nur in Lebewesen, und: „Hat ihm jemand gesagt, er soll aufhören?“

Das bekam ich aber natürlich auch erst später mit. Ich selbst wurde wieder involviert, als Cousin Raúl – einer von Lidias Cousins, nicht von meinen – ziemlich angetrunken bei mir auftauchte, dass da noch ein Geschenk angekommen sei.

Das „Geschenk“ war natürlich die Bjarki-Statue, die die Jungs in einen ruhigen Raum gebracht hatten, und hier bekam ich jetzt die restlichen Lücken in der Geschichte gefüllt, die mir bislang noch gefehlt hatten.

Auch Roberto schaute sich unseren Guardian-Freund jetzt in der Sight an, und er konnte das bestätigen, was Totilas auch schon festgestellt hatte: Die Höhle, in die Bjarki sich zurückgezogen hatte, war Schutzmechanismus gegen die Ballons und ein Sinnbild für seine Verwandlung in einen Stein, und er war am Leben, wenn auch schwer angeschlagen. Als Mensch würde er schwerste Verletzungen aufweisen, die als Stein nicht so eklatant waren. Das Problem nur: In Steingestalt heilte er nicht, das heißt, egal, ob er jetzt oder in drei Monaten aufwachte, die Verletzungen wären dann immer noch genauso schwer. 

Daher kam mir der Gedanke, ob es nicht vielleicht möglich wäre, vor der Rückverwandlung die Statue zu reparieren. Das wäre dann auch keinesfalls ein Bruch der magischen Gesetze, weil wir ja nur an einer Statue herumdoktorn würden, nicht an einem Menschen. Wobei das nicht unbedingt eilig ist, das können wir in Ruhe planen, denn der Zustand des Steins verschlechtert sich ja nicht. 

Jetzt waren erst einmal alle mehr oder weniger unfit – bis auf mich selbst, tatsächlich, erstaunlicherweise – und von den Guardians ohnehin nur noch Ximena und Ángel anwesend. Und Edward hatte völlig recht, als er sagte, Lidia und ich hätten uns genug getrennt um die jeweiligen Gäste gekümmert, jetzt wäre es endlich an der Zeit für uns beide und für Zweisamkeit.

Und so ging die Feier zwar noch etwas weiter, aber begann langsam auszuklingen, und alle hatten Verständnis dafür, dass Lidia und ich uns irgendwann zurückzogen. 

Aber ach ja. Geschenke. Also es gab natürlich eine ganze Menge, aber die von den Jungs will ich besonders erwähnen.

Alex‘ Geschenk war… nichts Physisches. Er hatte uns eine Karte gebastelt, in der er uns zu verstehen gab, dass die Tatsache, dass Saltanda nicht aus der Junggesellenabschiedstorte gehüpft war, ihm zu verdanken und gar kein so leichtes Unterfangen gewesen war.

Von Totilas gab es ein edles Silbertablett, das mit Rosenblüten, einem Sektglas und einem gedeckten Puppenhaustisch dekoriert war, dazu eine auf alt gemachte Schriftrolle mit schöner Kalligraphie und einer Einladung zu einem romantischen Dinner für zwei bei Klaviermusik und Blumen in einem vornehmen Restaurant.

Edward schenkte uns eine Rose von Swarowski, aber nicht einfach irgendeine. Sie ist so verzaubert, dass sie sich nach und nach mit magischer Energie auflädt. Und sollten wir es wirklich einmal brauchen, gibt es ein Kommandowort, mit dem diese Aufladung freigesetzt und damit der Threshold unseres Heims verstärkt wird. 

Und Roberto kam mit einem Korb an, aus dem heraus uns ein herzallerliebster Bernhardinerwelpe anschaute. Mit einem Zwinkern sagte er, das Geschenk sei für die hijas vielleicht ebenso wie für uns. Ich finde die Idee schön, einen Hund zu haben, aber irgendwie auch ein bisschen… beängstigend ist das falsche Wort, aber eine gewisse Herausforderung wird es vermutlich schon werden, zumal gerade Bernhardiner ja nicht so klein bleiben. Und wir haben noch keine Ahnung, was einen Namen betrifft. Aber da wird uns schon etwas einfallen. 

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