[Karneval der Rollenspielblogs] Juli 2018: Stimmung beim Online-Spielen

Diesen Monat habe ich wieder einmal das Vergnügen gehabt, den Karneval der Rollenspielblogs auszurichten. Als Überschrift hatte ich den Begriff ‚Stimmung‘ gewählt und in meinem Eröffnungsbeitrag einige Fragen zu dem Wort in den Raum geworfen, die möglichst weit gefasst und möglichst viele Facetten des Themenkomplexes abdecken sollten.

Dabei war mir, weil ich den Karneval überhaupt erst seit einigen Monaten näher verfolge, geschweige denn selbst daran teilnehme, überhaupt nicht bewusst, dass es vor etwa zehn Jahren schon einmal um ein ähnliches Thema ging – damals wurde das allerdings eher unter dem Titel „die Stimmungsspielerkontroverse“ abgehandelt. Ich selbst hatte den Begriff „Stimmungsspieler“ zwar in meinem Einführungsbeitrag auch erwähnt, aber eben nur als eine mögliche Facette unter vielen und ohne zu wissen, dass es da schon einmal eine Debatte um das Thema gab. Aber man kann den ziemlich weit gefassten Oberbegriff ‚Stimmung‘ ja zum Glück auch anders interpretieren, so dass im Laufe des Monats doch einige ganz unterschiedliche Beiträge zusammengekommen sind. Aber dazu mehr in meinem Abschlussposting.

Ich habe eine ganze Weile überlegt, was ich selbst denn eigentlich zu diesem Umzug beitragen könnte. Ich stimme nämlich einigen der bisherigen Beitragenden insofern absolut zu, dass Stimmung bei mir vor allem im Kopf entsteht und ich gar nicht so viele äußere Hilfsmittel brauche, um sie bei mir selbst (als Spielerin) oder für den Rest der Gruppe (wenn ich leite) zu erzeugen. Aber dennoch möchte ich ein bisschen was dazu schreiben, was für mich Stimmung ausmacht – und vor allem, wie es da in bezug auf das Online-Spiel aussieht, wenn man die anderen nicht direkt bei sich am Tisch hat.

Stimmung beim Online-Spiel

Erster und wichtigster Grundsatz: Wenn man über das Internet spielt, sieht man den Rest der Gruppe meist nicht. Man hört nur deren Stimmen über den Sprachchat – und genau das macht für mich (auch wenn ich das Spielen am Tisch immer noch deutlich bevorzuge) eine der Stärken des Online-Spielens aus. Denn es kann eben gehörig zur Stimmung beitragen, wenn man statt des echten Spielers am Tisch eben dessen Charakterbild sieht und die Stimme dazu hört.
Im Gegensatz dazu ist das Spielen mit Webcam für mich eher ein Stimmungskiller, weil es den Vorteil der Charakterbild+Stimme-Immersion aufhebt, man aber, anders als am Tisch, ein qualitativ nicht immer optimales Bild zu sehen bekommt. Normalerweise schiebe ich in den Runden, wo wir mit Kamera spielen, das Übertragungsfenster in den Hintergrund und öffne es nur so selten, wie ich kann. Die bisher eine lobenswerte Ausnahme in bezug auf die Verwendung von Kameras war ‚ViewScream‚, das eigens für das Online-Spiel konzipiert ist und von der Verwendung von Mikrofonen und Kameras lebt, weil man da in einer Echtzeit-Situation Charaktere spielt, die sich auch in-game nur per Funk und Kamerabild unterhalten können, weil sie sich z.B. auf einer Raumstation in unterschiedlichen Sektionen befinden oder gerade an unterschiedlichen Orten der Stadt einen Hightech-Heist durchführen oder dergleichen. Das war das eine Mal, wo das krisselige Kamerabild der in abgedunkelten Räumen sitzenden Mitspieler auf mich stimmungsfördernd wirkte.

Bilder von NSCs zu haben, die man sich als Spieler anschauen kann, finde ich schon am Tisch immer sehr nett, aber am Tisch interessanterweise irgendwie nicht ganz so wichtig. Online hingehen mag ich es sehr, wenn ich als Spielerin nicht nur eine erzählte Beschreibung, sondern auch einen visuellen Hinweis darauf bekomme, wie nicht nur die Spielercharaktere, sondern auch die NSCs aussehen. Und es macht mir Spaß, einen ansprechend ausehenden Online-Spieltisch, sprich die Spieloberfläche des Roll20, zu erleben bzw. als SL selbst zu gestalten. Wenn da ein Hintergrundbild mit Stadtplan/Landkarte oder Landschaftsbild drin ist, dazu Portraits von den Spielercharakteren und NSCs, evtl. auch Bilder von McGuffins oder Symbolen oder dergleichen, die im Spiel eine Bedeutung haben, dann empfinde ich das online als sehr stimmungsvoll. Am Tisch hingegen finde ich es zwar nicht gerade störend, wenn eine Landkarte auf dem Tisch herumgeschoben wird, aber für irgendwen am Tisch liegt sie dann doch auf dem Kopf, man beugt sich darüber, oft liegt Knabberkrams im Weg, etc. etc. Und am Tisch vermisse ich derartige Bilder auch irgendwie nicht so sehr. Vielleicht, weil man da seine Spielgruppe um sich hat und … hm, interessant, ich kann gar nicht so recht sagen, warum.

Was die Musik betrifft, so kann ich die am Tisch – zumindest als ständige Untermalung im Hintergrund – nicht gut haben. Ich erinnere mich an ein vor bestimmt 20 Jahren von mir geleitetes Chill-Abenteuer, das auf einem verlassenen und von Geistern heimgesuchten Jahrmarkt spielt, bei dem ich gruselige Kirmes-Musik im Hintergrund abspielte, und ich weiß noch, dass wir bei unseren Deadlands Classic-Runden ab und zu die Soundtracks eher unbekannterer Western abspielten, ebenso generell die Soundtracks von nicht ganz so bekannten Filmen aus anderen Genres für andere Runden. Aber ich weiß auch noch, dass ich es damals schon gar nicht mochte, wenn dafür ein zu bekannter Soundtrack gewählt wurde (oder auch nur ein eigentlich unbekannter, der mir aber zufälligerweise vertraut war), weil ich dann immer die Bilder aus dem entsprechenden Film vor mir sah statt das Kopfkino zur gespielten Runde, wie es eigentlich hätte sein sollen. Und irgendwie war das auch eine Praxis, die bei uns relativ bald wieder einschlief.

Was ich hingegen heute noch gut und stimmungsvoll finde, ist passende Musik am Anfang einer Runde oder nach einer Pause mit signifikantem Szenenschnitt oder dergleichen. Ich selbst mache das nicht, weil ich einfach zu faul bin, mir passende Musik zu suchen, bzw. weil mir oft auch einfach die Inspiration fehlt, was man da nehmen könnte, und auch die meisten SLs, bei denen ich spiele, machen das nicht, aber wenn es mir begegnet, und vor allem, wenn es dann auch noch gut gemacht ist und das Lied passt, dann finde ich das super. Und diese paar Minuten Musik stören auch nicht, finde ich.

Online gilt dasselbe, nur dass ich es hier wieder ‚legitimer‘ finde, mit Geräuschen zu arbeiten, als am Tisch. Auch wieder nicht als ständige Musikuntermalung, aber mit gelegentlichen Effekten. So hat z.B. die Online-Spielplattform Roll20 bereits eine große Auswahl an frei verfügbaren Musikstücken und Soundeffekten integriert, und gelegentlich z.B. in einer gruseligen Szene ein leises Windheulen zu unterlegen, kann online absolut passend sein und zur Stimmung beitragen. Dazu haben die Online-Sound-Apps den Vorteil, dass jeder Spieler für sich einstellen kann, wie laut er die Hintergrundmusik hören möchte, bzw. ob überhaupt.
Als anderes Beispiel hat kürzlich eine Freundin online eine Runde in zwei Teilen an zwei Tagen geleitet. Die erste Session endete mit einem Cliffhanger in einer ziemlich spannungsgeladenen Situation. Um beim zweiten Termin das Adrenalin gleich von Beginn an fließen zu lassen, begann die SL die Session mit einem extrem wirkungsvollen, Trommel-Intro. Als ich vor einigen Tagen selbst eine ähnliche Runde leitete, hätte ich mir diesen Trick tatsächlich für die zweite Session ausgeliehen, um meine Spieler gleich wieder in medias res zu führen, aber wir kamen dann doch in einer einzigen Sitzung hin, und so war dieser Kniff nicht nötig.

Ein bisschen außer der Reihe, weil es sich nicht um einen Online-Effekt handelt, sondern nur um einen mit dem Computer generierten, sei noch die Anwendung genannt, die ein SL kürzlich für eine Paranoia-Runde benutzt hat. (Ich glaube, das war sogar nicht mal etwas Kommerzielles, sondern von ihm selbst oder einem Bekannten programmiert.) Weil das Paranoia-RPG ja in einer dystopischen Zukunft spielt, die von „Freund Computer“ beherrscht wird, hatte er auf seinem Laptop ein Programm, das als Bildschirmhintergrund das allsehende Auge von Freund Computer zeigte und in willkürlichen Zeitabständen Pro-Computer-Parolen abspielte, die natürlich von einer monotonen Computerstimme vorgelesen wurden. Und wenn er selbst freien Text eingab, wurde auch der von dem Programm vorgelesen, so dass alle Interaktionen der Spieler mit Freund Computer auf diesem Weg stattfanden. So etwas würde ich zwar auch nicht in jeder Runde haben wollen, aber für einen Treffen-Oneshot war das schon sehr cool und stimmungsvoll.

Fazit

Ich gehöre zu den Spielern, bei denen Stimmung am Tisch vor allem im Kopf entsteht. Aber wenn sie gut gemacht sind und geschickt (sprich eher sparsam) eingesetzt werden, dann habe ich auch gegen Hilfsmittel wie Geräusche oder Lichteffekte nichts einzuwenden.

Online hingegen sieht das etwas anders aus: Da hat der Einsatz von Hilfsmitteln wie Bildern oder Geräuschen auf mich tatsächlich häufig eine stimmungsfördernde Wirkung. Nicht, dass es ohne schlecht wäre; vermutlich könnte ich eine Online-Runde auch vor einem völlig weißen Bildschirm genießen, einen gewissen positiven Effekt haben hübsche Bilder online eben doch auf mich. Und gerade die Bilder der Charaktere sehe ich online ganz gerne eingeblendet, um sie mir, zusammen mit den Stimmen ihrer Spieler, besser vorstellen zu können.

5 Kommentare

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5 Antworten zu “[Karneval der Rollenspielblogs] Juli 2018: Stimmung beim Online-Spielen

  1. Schöner Artikel, sehr lesenswert 😉

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  2. Vielen Dank für die Gedanken. Sehr spannend alles für mich, weil wir uns ja nur vom online zusammen spielen kennen.

    Spiele, die das Sich Sehen beim Online Spiel als Opportunität betrachten, wie etwa viewScream sind im Kommen 🙂

    Es ist ja eine interessante weil fordernde und mit der steigenden Popularität ja auch wichtiger werdende Design Anforderung.

    Ich habe daher ja extra ein Manifest für geschrieben:
    https://docs.google.com/document/d/1HRLO-y-_Un0Q2tHbBPpdWGDCCUE1U6wr5LrC9C5pTRk/edit?usp=drivesdk

    Ansonsten gilt für mich allerdings schon, dass ich auch online gerne Mimik, Licht und Gestik durch die Kamera nutze für ein gutes Spiel Erlebnis.

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    • Interessantes Manifest! Dass man die Videofunktion noch über das was ViewScream vorsieht, hinaus, auch nutzen kann, um 100% in-character zu sein, während die Kamera läuft, auf die Idee wäre ich so nicht gekommen. Ich bin mir nicht so sicher, ob das was für mich wäre – aber andererseits würde es vielleicht sogar meiner Abneigung gegen krisselige Kamerabilder ein bisschen entgegenwirken. Spannender Ansatz jedenfalls.

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  3. Pingback: [Karneval der Rollenspielblogs] Juli 2018: Abschlussbeitrag | Timber's Diaries

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