LIRP auf der DZ-Con 2017: Paris Rêvant

Nicht nur auf dem Tanelorn-Treffen, auch auf der DZ-Con gibt es LIRPs. Ich alte LIRP-Nase, die ich bin, war natürlich sehr froh, dabei mitmachen zu dürfen, umso mehr, als dieses LIRP in der Surrealisten-Szene des Paris der 30er Jahre spielte – also in einem Setting, das geradezu perfekt zu Itras By passt bzw. von dem Itras By ja ganz direkt inspiriert ist. Die meisten Figuren basierten auf real existierenden Vorbildern aus der Surrealisten-Szene jener Zeit; nur einige Charaktere waren völlig frei erfunden.

Umso lustiger fand ich, dass ich nicht nur eine Hosenrolle spielen durfte, sondern sogar niemand anderen als den Dichter Robert Desnos, der als einer der Mitbegründer bzw. besonders talentierter Nutzer des Automatischen Schreibens gilt – und das ausgerechnet, wo doch das Setting von Itras By auf einem automatisch geschriebenen Text basiert. Dass dem guten Robert am Ende tatsächlich so etwas wie eine Hauptrolle in der ganzen Geschichte zukam, hätte ich vorher im Leben nicht erwartet (die SLs behaupteten auch, das sei nicht von vorneherein so vorgesehen gewesen, sondern hätte sich einfach so ergeben), bedeutete aber auch, dass der Spielabend für mich trotz (oder gerade wegen?) allen Chaos‘ und eines zeitweiligen Gefühls der Überforderung (Hilfe! Alle wollen was von mir! Ich muss mich in 1000 Richtungen gleichzeitig drehen!) und – SPOILER! – der Tatsache, dass der arme Desnos am Ende das Mädchen nicht bekam, alles in allem sehr, sehr cool war.

Das Diary zum LIRP ist wieder einmal eine Gemeinschaftsarbeit, diesmal von Patti aus der Sicht ihres Charakters Betty May (grün), von Lyn für Salvador Dalís Frau Gala (rot) und Niniane (lila) für die fiktive Kellnerin Yvonne Fatine. Meine eigenen in Erdbraun gehaltenen Abschnitte für Robert Desnos hingegen sind kein echtes Diary aus Innenperspektive, sondern gehen eher in Richtung neutrale Beschreibung, weil mir leider die Zeit fehlte, mich für das Diary noch einmal wirklich so richtig in den Charakter hineinzudenken.

Ich bin mir nicht ganz sicher, inwieweit man dem Plot des LIRPs folgen kann, wenn man nicht dabei war, weil mit 20 Charakteren ja doch eine ganze Menge los war, von dem jeder Spieler nur einen Teil mitbekam, aber ich hoffe, einigermaßen geht es doch.

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Au Café de la Rotonde

„…So take me out for one more night! You know, I can’t live without these bright, bright lights…“ Trällernd komplettiert Betty May ihr Outfit mit den riesigen Pfauenohrringen und greift sich den Fächer aus ebensolchen Federn. Nur ein paar Pinselstriche noch und ein Hauch von Goldpuder, und sie stöckelt aus dem Haus und durch die frühlingshaften Straßen von Paris, der Stadt der Liebe, dem Neubeginn entgegen. Heute Abend will sie glänzen!

Ihre neuen Freundinnen haben den Weg geebnet, an Pierres Arm beschreitet sie ihn. Pierre, die neue Liebe, die ihr Frankreich beschert hat, ein Politiker mit Kunstverstand, ein ambitionierter, guter Mensch. Vielleicht endlich der Eine, für den sie aufhören möchte, wie ein Schmetterling von Blüte zu Blüte zu fliegen und an dessen Seite sie zu einer wahren Lady wird, zu seiner First Lady, die endlich alles richtig macht. Wenn nicht in Paris, wo dann?

Pierre verzieht das Gesicht. Sie ist zu spät. Als wenn je ein pünktlicher Auftritt ein guter Auftritt gewesen wäre! Sie lacht ihn aus. Das muss er noch lernen, mit kleinen Tricks so viele Blicke auf sich zu ziehen, wie ihr Fächer Augen hat.

Anfangs steht Robert Desnos mehr als verloren herum. Auf dem Weg zum Café hatte er sich mit Jacques Cocteau unterhalten und sich über den Affront aufgeregt, mit dem Breton sich weigerte, Cocteau mit auf die Photographie zu lassen, die von der gesamten Besuchergruppe angefertigt wurde. Zu Beginn der Veranstaltung hält er sich an seine Freunde Kiki und Man Ray, kommt dann mit Kiki zusammen ins Gespräch mit Giorgio de Chirico, der ja ebenfalls ein alter Bekannter von Desnos ist. De Chirico wundert sich etwas über Cocteaus Behandlung durch Breton und die übrigen Surrealisten, woraufhin Kiki und Desnos ihn vorsichtig darüber aufklären, dass Cocteau homosexuell ist. De Chirico ist etwas geschockt, versucht es aber zu verkraften. Aber das sei schon schwierig.

Später kommt er zu Desnos. “Ich habe mit Cocteau geredet, und … es ist in Ordnung.” Desnos klopft ihm auf die Schulter: “Gut, mein Freund.”

Mit Cocteau unterhält Desnos sich auch noch einmal. Der Künstler erzählt ihm, dass er seit kurzem in einer Beziehung zu dem Schotten Dougal Creones stehe und er sehr glücklich sei.

Bretons Ankündigung einer Überraschung und das Versprechen von Opium hört Desnos mit großem Misstrauen. Er ist sicher, dass Breton mit dem Opium auch die Nichtkünstler in die Traumlande bringen will, und das gefällt ihm gar nicht.

Anschließend unterhält Desnos sich kurz mit Betty, aber Elaine kommt dazu. Die Interaktion zwischen den beiden Frauen facht Desnos’ Misstrauen noch weiter an. Er befürchtet, dass die Spritzencocktails Opiate enthalten, also nimmt er nur Wasser. Als Yvonne ihm ein weiteres Getränk anbietet, lehnt er ab.

Dann besieht Robert sich die Kunst auf der Vernissage und unterhält sich eine Weile mit Kiki, der er ein vor kurzem verfasstes, neues Gedicht von sich aufsagt. Man Ray kommt kurz dazu und zeigt sich eifersüchtig, was Robert als absurd abtut, wissen der Amerikaner und seine Muse doch nur zu gut, dass Desnos hoffnungslos der schönen Belgierin Yvonne George verfallen ist, auch wenn die ihn überhaupt nicht beachtet.

Yvonne hat sich vorgenommen, ihre Sache gut zu machen. Sie darf nicht auffallen, aber sie muss herausfinden, wer das Feuer in der Druckerei gelegt hat, und wer damit Michel auf dem Gewissen hat. Michel… sie hat ihn wirklich und aufrichtig geliebt. Sie wollten eine Familie gründen. Stattdessen ist sie nun allein in dieser furchtbaren großen Stadt, die einzige Person, die ihr Halt gibt, ist Elaine. Sie ist wirklich eine Seele von Mensch, aber sie kann niemals Yvonnes Freundin sein. Sie ist von Stand, und Yvonne nur eine Bürgerliche.

Sicher, auch heute abend sind sie alle Bürgerliche – die meisten jedenfalls – aber sie machen Yvonne Angst. Sie ist nur ein einfaches Mädchen vom Land, sie kennt sich mit Kunst nicht aus, sie weiß nicht, was all diese seltsamen Bilder an den Wänden sollen.

Monsieur Jacques mustert sie abschätzig von oben herab. Wahrscheinlich hält er sie für ein dummes Landei, das sich einen der Künstler angeln will. Oh, so ganz falsch liegt er damit nicht. Aber jemand wie Robert würde doch niemals ein Mädchen wie Yvonne ansehen. Wie oft hat sie sich schon im Kino Man Rays Film mit dem Seestern angesehen, um Robert nahe zu sein. Elaine darf das allerdings niemals erfahren.

Monsieur Martin, der Besitzer des Cafés, scheint in Ordnung zu sein, aber Yvonne will es sich trotzdem nicht mit ihm verscherzen. Er soll in ihr genau die fleißige Arbeiterin sehen, die sie ist. Deswegen nimmt sie gleich das erste Tablett mit den Getränken und wirft sich ins Getümmel. Die vielen Menschen schüchtern sie ein, das muss sie zugeben, alle wirken so gebildet und vornehm. Sie sieht Elaine irgendwo in der Menge, an ihrem Rockzipfel hängt wie schon seit einer Weile Hector Duchamps. Yvonne mag ihn nicht besonders. Sicher, er ist freundlich zu ihr und behandelt sie nicht schlecht, aber er lässt sie spüren, dass sie für ihn eine Dienstbotin ist. Niemals kann sie Elaines Freundin sein.

Elsa Triolet tritt an Yvonne heran. Sie weiß, das ist die Frau von Louis Aragon, dem sie nachher noch etwas geben muss. Vielleicht ist er ihre Eintrittskarte in die Welt der Surrealisten. Aber Elsa will gar nicht über Politik reden, und sie will seltsamerweise auch nichts zu trinken. Sie will wissen, wie lange Yvonne schon Monsieur Jacques kennt. Was für eine seltsame Frage! Noch nicht lange, ist Yvonnes ehrliche Antwort, sie sei ja selbst noch ganz neu. Aber das scheint Elsa zu reichen. Sie bedenkt Yvonne mit einem ehrlichen Lächeln und macht sich dann wieder auf zu ihrer Gesellschaft.

Niemand sonst scheint sie zu beachten, sie ist eben nur die Kellnerin, und so beschließt sie, genau das zu tun, was von ihr verlangt wird: Servieren und nett aussehen dabei. Schließlich soll sich niemand an Monsieur Martins neues Serviermädchen erinnern.

Auf dem Weg zur Vernissage gesellt sich Paul zu mir und fragt, ob es mir gut geht. Irgendwie scheint er zu spüren, dass meine Antwort nicht ganz ehrlich ist. Der Blick mit dem er mich anschaut… ich weiß, er macht sich immer noch Hoffnungen und vielleicht ist es falsch, ihm die Hoffnung zu lassen. Aber auch ich komme nicht von ihm los und wer weiß, vielleicht kann ich seine Sehnsucht nach mir dazu nutzen, mein Ziel zu erreichen. Ich muss es einfach schaffen die Traumlande zu verändern wenn ich leben will, das weiß ich ganz sicher. Schnell wende ich mich von Paul ab und Dalí zu.

Die Begrüßung durch Valentine und Gala war liebevoll, und Valentines Aufregung, weil Breton in der Nähe ist, brachte sie zum Strahlen wie ein junges Mädchen. Wie sehr wünscht Betty ihrer hübschen Freundin Erfolg bei dem großen Künstler! Seit Tagen gibt sie ihr Tipps, beruhigt, ermuntert, erfreut sich am Eifer ihrer Schülerin. Und er ist ein beeindruckender Mann, dieser Breton, in den Schatten gestellt nur von Dalí, der seinen zahmen Ozelot auf dem Arm trägt und von Anhängern umschwirrt wird wie ein Leuchtturm von Motten. Gala zu seiner Rechten lächelt wie eine Königin. Keine Frage, dass sie genau da ist, wo sie hingehört. Kurz durfte Betty den Meister kennenlernen. Pierre hätte sich bald überschlagen in dem Wunsch, dem Spanier ebenfalls vorgestellt zu werden, der Süße. Was für ein Unterschied zu dem stillen, schmachtenden Éluard, der sogleich versucht hat, Betty über die Séancen mit Gala auszufragen, kaum dass er sich vorgestellt hat. Was man beim Kartenlegen erfahren könne, wollte er wissen. Nicht, dass sie dich zurückwill, möchte sie sagen. Warum in aller Welt kämpft der Mann nicht um sie? Wenn er seinem Freund die Zierde seines Hauses nicht wieder wegnehmen möchte, soll er sich eine Andere suchen. Gefällt er sich denn in der Rolle des leidenden Dichters? Sie merkt, wie die Wut hochkocht, und wirft ihm ihre Meinung über den Zeitvertreib der Freundinnen hin. „Man sieht, was man sehen will. Das, was man bereit ist, über sich selbst zu erfahren. Nicht mehr.“

Sie will nicht über den Okkultismus reden, denn sie kann ihm nichts abgewinnen außer der Verbindung zu den Schönen und Begabten von Frankreich. Solange die Surrealisten nur abmalen und in Worte schmieden, was sie in den Traumlanden sehen, soll es ihr recht sein. Sie liebt die Früchte des Geistes, die ein Rausch, gleich welcher Art, aus den Köpfen der Künstler entspringen lässt. Aber sie hat auch gesehen, wie der Wunsch, die Welt durch den reinen Willen zu formen, ausufern kann. Wie er Leben kosten kann. Loveday… Ich verfluche dich, Crowley!

Aleister Crowley. Daher! Ist es der Prozess gewesen? Ja, doch. Das muss es sein. Die ganze Zeit schon hängt ihr Blick sich immer wieder an dieser Kellnerin fest, Yvonne, die schnellen Schrittes zwischen den Gästen herumeilt und Champagner reicht. Die Frau war doch so aufdringlich mit ihren Fragen damals, wie sollte Betty sie vergessen? Was tut sie hier? Kann es eine Doppelgängerin sein? Nein. Diese Statur, die Stimme. Sie hatte sie für eine Journalistin gehalten. Und jetzt soll sie ausgerechnet hier Kellnerin sein? Was für ein seltsamer Werdegang. Ist sie wegen Betty hier? Verfolgt sie sie? Was will sie ihr? Nein, nicht wieder paranoid werden, Betty. Du bist schon lange weg vom Kokain.

Sie sind wirklich alle sehr freundlich zu ihr, aber die meisten beachten sie nicht. Vielleicht ist das besser so. Eluard sieht sie ein wenig merkwürdig an, aber Yvonne will sich gar nicht weiter mit ihm beschäftigen. Seine Frau hat ihn verlassen und einen anderen geheiratet – was für eine ungebührliche neumodische Entwicklung! -, aber das hält ihn dennoch nicht davon ab, hier weiter im Windschatten der beiden herumzulungern. Fast könnte er ihr leid tun.

Aber ein anderer hat ihr Mitleid vermutlich viel mehr verdient: Cocteau, den die anderen Künstler teilweise sichtbar verachten. Breton hat sogar lauthals verkündet, ihn von der Veranstaltung entfernen zu lassen. Yvonne weiß, dass einer der Gründe dafür Cocteaus Homosexualität ist. Aber einige andere scheint das nicht zu stören, im Gegenteil. Robert weicht nicht von Cocteaus Seite, und auch dieser Italiener wirkt, als seien er und der Poet gute Freunde.

Soll sie Robert ansprechen? Aber was soll sie ihm dann sagen? Dass sie ihn in einem Film gesehen hat? Das hört er sicher sehr oft, und sie ist keine von denen, die sich mit solchen fadenscheinigen Ausreden einem Mann an den Hals werfen.

Valentine Hugo scheint jemand zu sein, vor denen Yvonne keine Angst haben muss. Sie lächelt ihr aufmunternd zu. Ein ganz anderes Kaliber ist dagegen Man Ray. Fast könnte der Amerikaner Yvonne wütend machen, aber nur fast. Sie darf sich doch nichts anmerken lassen. Aber es ist nicht ihre Schuld, dass Monsieur Jacques seine Arbeit nicht macht und ihn stehen lässt. Lauthals beschwert Man Ray sich, dass er doch schon vor einiger Zeit ein Getränk bestellt habe, und bisher habe er es noch nicht bekommen. Er lässt Yvonne mit jedem Wort spüren, wie sehr er sie verachtet. Am liebsten würde sie ihm sein Getränk ins Gesicht schütten, aber das darf sie nicht. Dann kann sie gleich ihre Sachen packen und gehen. So freundlich wie Monsieur Martin ist, das wird er ihr nicht durchgehen lassen. Und selbst Elaine wird dann nichts mehr tun können.

Nein, sie muss Man Ray einfach mit dem gebührenden Abstand behandeln. Außerdem, er interessiert sie nicht. Wo ist Aragon? Sie muss ihm das Flugblatt geben, damit er sie in die Gesellschaft einführt. Aber Aragon ist nirgends zu sehen. Seufzend macht Yvonne sich daran, Man Rays Getränk zu holen und es dabei auf eine Konfrontation mit Monsieur Jacques ankommen zu lassen.

Um mich herum überall die Gäste der Vernissage, hauptsächlich bekannte Gesichter und fast wie in einem Traum gehe ich herum, begrüße, lächele, stelle vor, werde vorgestellt. Dalí ist wie immer charmant und voll in seinem Element. Sein Kommentar gegenüber Man Ray, dass er die Bedeutung einer Muse anscheinend verkennt, wenn er sie als Instrument ansieht, statt einzusehen, dass es die Muse ist, die mit einem spielt, schafft es sogar, mich für einen Moment abzulenken und zu erheitern. Doch ist der Abend zu wichtig für Ablenkungen. Ich habe mein Ziel und muss es erreichen. Und so entschuldige ich mich bei Dalí, um mich zu Aragon zu gesellen. Ich fühle, dass es falsch ist, meinen Mann außen vor zu lassen, doch habe ich Angst, dass er versuchen wird, mich von meinem Plan abzubringen. Angst dass er mich nicht ernst genug nimmt, um zu verstehen, dass es wichtig ist und es keinen anderen Weg gibt. Schnell lasse ich ihn in der Gesellschaft von Man Ray zurück…

Oh nein, jetzt kommt die englische Sängerin auf Yvonne zu. Sie spricht sie auf Englisch an. Yvonne versteht sie nicht, und so wiederholt die Engländerin ihre Worte auf Französisch. Ob sie sich kennen würden? Verdammt, hat sie sie doch erkannt auf diesem Prozess gegen diesen Okkultisten, diesen Crowley. Dabei hat sich Yvonne doch große Mühe gegeben, nicht aufzufallen. Sie sollte den Prozess nur für Elaine beobachten.

Mit dem geheimen Codewort – “Madame, ihr Pelz ist verrutscht!” – gibt sie Elaine zu verstehen, dass sie sie sprechen muss. “Betty hat mich erkannt”, verrät sie ihr, und Elaine nickt. Sie soll sich von der Engländerin fernhalten.

Aber damit hat Yvonne ein neues Problem: Betty scheint sich bestens von Cocteau und Robert unterhalten zu fühlen. Immer, wenn Yvonne mit einem Tablett an ihnen vorbeieilt, sind die drei in ein Gespräch vertieft. Wie soll sie denn da an einen der beiden herankommen, ohne dass Betty May Verdacht schöpft? So jemand steckt bestimmt mit den Kultisten unter einer Decke.

Ein kurzes Gespräch mit Aragon beruhigt meine Nerven ein wenig. Ich weiß, ich bin nicht allein mit meinem Plan und habe mit ihm und Breton zwei starke Männer an meiner Seite. Wir unterhalten uns kurz darüber, wem wir genug vertrauen, um ihn in den Plan einzuweihen. Mein Blick fällt auf Paul, der verloren am Kamin steht. Er wirkt so fehl am Platz, und ich werde das Gefühl nicht los, dass er heute Abend nur wegen mir hier ist. Ich gehe zu ihm um ihn aufzumuntern, zumindest rede ich mir das ein. Eigentlich weiß ich schon beim zu ihm gehen, dass ich versuchen werde, seine Schwäche für mich heute Abend auszunutzen, und fühle mich schlecht dabei. Doch das Lächeln auf meinem Gesicht überspielt den Tumult in mir, und ich frage ihn, ob er sich nicht amüsieren möchte. Er sagt, dass er auf das Opium wartet und dann, dann blickt er mich an und schaut durch meine Fassade. Ihm konnte ich noch nie etwas vormachen, dafür kennt er mich einfach zu gut. Eigentlich ist er der Einzige, der mich wirklich kennt und schon geliebt hat, als ich noch ein Niemand war. Ich reiße meinen Blick von seinen Augen los, ist doch jetzt nicht der richtige Moment, um mich in diesen zu verlieren. Ein wenig stockend erzähle ich ihm von meinen Seancen und von dem was die Karten mir gezeigt haben. Dann bitte ich ihn, mir zu helfen und wie erwartet, stimmt er zu, ehe er den Plan überhaupt vollständig kennt. Verdammt, ja, ich fühle mich, als würde ich seine Liebe für mich ausnutzen aber… ich sehe keinen anderen Weg. Außerdem ist er neben Dalí der wichtigste Mensch in meinem Leben und ich vertraue ihm. Dann kann es doch gar nicht falsch sein, oder? Um ein wenig Abstand zu gewinnen und außerdem weitere Verbündete zu finden, ehe das von Breton versprochene Opium eintrifft frage ich ihn, wo sein Beitrag für den heutigen Abend ausgestellt ist. Ein letztes Lächeln und ein kurzer Augenkontakt, dann gehe ich zügig davon.

Plötzlich kommt Elaine auf Yvonne zu und fragt sie nach Passionsfrucht-Saft. Aha, sie hat also etwas gefunden, was sie Yvonne unbedingt zeigen muss, und das niemand sonst sehen darf. Mit ihrem Amulett zeigt sie Yvonne die Zeichen, die die beiden Frauen auch schon damals in den Katakomben gesehen haben. Sie sind überall auf den Bildern versteckt. Was hat das nur zu bedeuten? Wer von den Künstlern steckt mit den Kultisten unter einer Decke, und wer von ihnen ist ahnungslos? Breton? Aragon? Eluard? Gala? Dalì? Yvonne weiß es nicht. Aber sie muss es herausfinden. Für Michel. Und für Elaine. Und für alle anderen Menschen, denen diese Personen noch schaden wollen.

Da taucht Monsieur Jacques auf, und Man Ray ist immer noch nicht zufrieden. Was für ein unangenehmer Zeitgenosse dieser Amerikaner doch ist. Yvonne hofft, dass sie ihre Sache gut macht, und tatsächlich, Monsieur Martin scheint mit ihr zufrieden zu sein. Er nimmt sie gegenüber Monsieur Jacques in Schutz. Falls sie das mit dem Kellnern weiter machen wird, er scheint ein guter Arbeitgeber zu sein.

Dieser Cocteau – so schlimm scheint es um das Verhältnis zu Valentine doch nicht zu stehen, denn sie stellt ihn als lieben Freund vor – ist Betty auf Anhieb sympathisch. Er komponiert auch. Man stelle sich vor, sie bekäme die Gelegenheit, eines seiner Lieder zum Besten zu geben. Dann wäre sie wirklich in Paris angekommen. Auch wenn er von manchem für seine Partnerwahl verachtet wird – Betty wollte sich eigentlich nicht zwischen die Fronten begeben -, er ist so nett. Und er lächelt. Ein ehrliches, fröhliches Lächeln. Diese Kunst beherrschen hier die Wenigsten. Was sind diese Franzosen alle ernst! Und diese Musik, die fast jeden zum Einschlafen bringt. Selbst ihr vergeht da die Lust zum Singen, drei Gläser Champagner hin oder her. So eine Vernissage scheint in diesem Land doch ein traurigerer Anlass zu sein, als sie erwartet hat.

Bevor sie selbst anfängt, eine Miene zu ziehen wie sieben Tage Regenwetter, genehmigt sie sich lieber noch ein Glas und versucht, anhand des Akzentes zu erraten, aus welchem Teil Schottlands der Mann in Cocteaus Windschatten stammen mag, der nach Geld riecht und eigentlich so gar nicht schottisch klingen will.

Noch ehe ich das Gedicht von Paul erreiche, bemerke ich, wie Breton im Gespräch mit diesem Politiker ist, den Betty als ihre neue große Liebe angekündigt hat. Eigentlich will ich nur an dem Grüppchen vorbei gehen, da stelle ich fest, dass die Ansichten von Pierre Bonlieux recht brauchbar sind, was meinen Plan angeht. Doch da schafft es Breton auch schon, ihn mit seinen gewaltverherrlichenden Ansichten in die Flucht zu schlagen. Innerlich seufze ich, während ich mit einem Lächeln Bonlieux folge, um die Worte Bretons in ein anderes Licht zu rücken. Wer weiß wofür es später noch gut sein wird, ihn wohlgesonnen zu wissen. Es ist ein ganz schönes Stück Arbeit, doch habe ich das Gefühl, dass es nicht ganz umsonst ist.

Jetzt! Yvonne sieht, dass Aragon einmal nicht von irgendwelchen anderen Leuten umlagert ist, also ist das ihre Chance, ihm das Flugblatt zu geben. Sie hat es in einem Café gefunden. Er ruft auf diesem Flugblatt die Arbeiter dazu auf, sich den Surrealisten anzuschließen. Wer, wenn nicht sie, das Arbeitermädchen aus der Normandie, könnte ihn besser davon überzeugen, dass sie seinen Ruf gehört hat, dass sie bereit ist, an seiner Sache mitzuarbeiten. Aragon ist auch durchaus aufgeschlossen für ihre Anwandlungen, er hört ihr zu. Yvonne ist sich fast sicher, es geschafft zu haben. So schwer war das doch gar nicht! Aber dann taucht Man Ray auf und nimmt Aragon mit zu einem Gespräch. Seine Verachtung ihr gegenüber ist in jedem Wort zu hören, als er meint, er wolle sich mit seinem guten Freund Louis unterhalten. Was denkt er eigentlich? Aber Aragon nickt nur und lässt sich von dem Amerikaner wegführen. Yvonne bleibt allein zurück, ratlos, ob sie den Sozialisten überzeugen konnte.

Ich stehe vor dem Gedicht von Paul und traue meinen Augen kaum. Wie kann das sein? Ich lese den Titel des Gedichts wieder und wieder… “Traum vom 21. September 1943” Das ergibt keinen Sinn. Wie kann er jetzt dieses Gedicht verfasst haben, außer…? Hat er eine Möglichkeit gefunden, die Zukunft zu sehen? Aber dieses Gedicht passt nicht zu dem, was ich gesehen habe… oder doch? Ist es die Zukunft die sein wird, wenn ich die Welt ändere? Oder hat er die Zukunft gesehen, so wie ich, und er will es nur nicht wahrhaben?

Egal, ich habe einen Plan und werde ihn umsetzen… Da ist Valentine. Vielleicht kann ich auch sie überzeugen? Ich weiß ja wie verschossen sie in Breton ist. Vielleicht wenn sie weiß, dass er zusammen mit mir an diesem Plan arbeitet? Verdammt, schon wieder überlege ich, die Gefühle einer Freundin zu mißbrauchen… Aber ist dies nicht größer und wichtiger als alles andere? Was ist da schon dieses kleine Opfer, wenn dafür die Bedrohung des Krieges abgewendet werden kann? Ich beginne Valentine von meinem Plan zu erzählen, doch merke ich schnell, dass ich sie damit verstöre und verschrecke. Breton bringe ich erst gar nicht mit in das Gespräch ein und will schon alles relativieren und retten, was zu retten ist, als Betty von der einen und Paul von der anderen Seite auf uns zu kommen. Paul sieht besorgt aus und so lasse ich Valentine in der Obhut Bettys zurück. Ich habe dabei zwar ein ungutes Gefühl, aber ich merke, wie mir die Fäden entgleiten, und so wende ich mich Paul zu.

Ich weiß nicht, was sich in der kurzen Zeit, als ich zuletzt mit Paul geredet habe, verändert hat, aber er wirkt ernst und fragt mich sehr direkt nach meinen genauen Plänen in den Traumlanden. Jetzt baut auch Breton die vorbereitete Leinwand auf und erklärt, dass ein gemeinsames Meisterwerk an diesem Abend erschaffen werden soll. Ich erzähle Paul, dass ich… nein, wir… die Traumlande so verändern müssen, dass die Auswirkungen auch die Realität ändern und somit die sich zusammen brauenden Schatten verschwinden oder zumindest schwächer werden, doch merke ich sehr schnell, dass er den Plan ganz und gar nicht gutheißt. Ich versuche ihm zu erklären, was ich gesehen habe, flehe ihn an, diesen Weg mit mir zu gehen, damit wir alle leben können, doch scheint er den Ernst der Lage nicht zu erkennen. Stattdessen versucht er mich mit dem Gedanken an Hoffnung zu trösten und mir fällt sein Gedicht wieder ein. Und doch – ich kann die Hoffnung nicht spüren, fühle tief in mir, dass die Welt verändert werden muss, wenn ich die, die ich liebe, nicht verlieren will. Für einen Moment bin ich versucht, seine Liebe zu mir zu mißbrauchen, ihn zu zwingen, mir seine Liebe zu beweisen, doch kann ich es nicht. Ich komme mir schon bei dem Gedanken daran schäbig vor und versuche es stattdessen auf andere Weise. Da mittlerweile das Opium angekommen ist, bitte ich ihn darum, mit mir zusammen in die Traumlande zu reisen, um zu sehen, ob es dort überhaupt Möglichkeiten gibt, meinen Plan durchzuführen, und er mich doch dabei unterstützen möchte. Er verlangt von mir im Gegenzug, dass ich keine Änderungen im Alleingang durchführe, sondern es eine gemeinsame Entscheidung ist. Ich zögere, versuche einen Kompromiss zu finden, doch bleibt er unerwartet hart bei seiner Forderung. Da ich ihn unbedingt als Unterstützer an meiner Seite wissen will, willige ich schließlich ein und wir suchen uns einen gemütlichen Platz um gemeinsam in die Traumlande zu reisen.

Gerade als ich das Opium nehmen will, hält mich Paul zurück. Ihm ist nicht wohl bei der Sache, er möchte Desnos mit dabei wissen. Ich versuche ihn charmant davon abzuhalten, bestehe lächelnd darauf, dass dies etwas nur für uns zwei ist. Er geht darauf ein, möchte aber vorher noch mit Desnos reden, ihm zumindest Bescheid geben. Da ich ihn nicht davon abhalten kann, bleibe ich allein auf der Bank sitzen und sehe, wie er Desnos aus seinem Gespräch zieht und auf ihn einredet. Ich fühle mich so einsam und allein in diesem Moment und überlege, ob ich es nicht doch ohne ihn versuche. Sein Gespräch mit Desnos zieht sich in die Länge, und immer wieder schaut Paul zu mir. Mit seinen Blicken bittet er um Verständnis, darum, dass ich auf ihn warte, und doch spüre ich, wie ich immer enttäuschter werde. Ich bin hin- und her gerissen. Einerseits wäre es gut, Desnos als Verbündeten zu wissen, doch der skeptische Blick und die Mimik der beiden während des Gesprächs lassen mich befürchten, dass ich bald nicht nur von Paul Gegenwind zu befürchten habe. Ich glaube Paul durchschaut mich erneut, denn gerade als ich den Entschluss gefasst habe, ohne ihn in die Traumlande zu gehen, kommt er zu mir. Jetzt lasse ich seine Einwände nicht mehr gelten und lehne mich an ihn, als ich das Opium nehme.

Bettys viertes Glas geht zur Neige, als Breton sich am Kopfende des Raums aufbaut und mit ernster, wohlklingender Stimme sein Manifest verliest. Obwohl er gar nicht sehr laut spricht, durchdringen seine Worte den Raum. Er will die Leute dazu animieren, hier und jetzt ein gemeinsames Kunstwerk zu schaffen. Eine leere Leinwand wird neben ihm aufgestellt, während im ganzen Café Getuschel losbricht. Hat man so etwas je gehört. All die Großen ihres Metiers sollen sich eine Staffelei mit Laien teilen? Natürlich wird der Kreis um Breton erst einmal weiter. Der Affront muss minutenlang diskutiert werden, bis sich die erste gute Seele erbarmt und einen Anfang macht. Betty amüsiert sich über die Entrüstung und überredet Valentine zum Kuß auf die weiße Fläche, bevor es jemand anderes tut. Sie zum Beispiel. Und wenn sonst keiner etwas darauf malen will, umso besser. Dann hat Breton Valentines Lippen ganz allein ohne Ablenkung. Errötend stöckelt die verliebte Frau nach vorne und drückt eine fast unsichtbare Kontur in die rechte obere Ecke. Ihr Lippenstift ist viel zu dünn aufgetragen. Ach, du liebes braves Mädchen! Betty will schon ihren eigenen zücken, doch jetzt hat Valentine der Ehrgeiz gepackt und sie hilft selbst kräftig nach. So ist Betty es zufrieden. Wehe, wenn der Künstler die Geste nicht zu schätzen weiß! Er sollte sich alle zehn Finger nach einer Frau wie der Hugo ablecken!

Als Breton die Leinwand in den Raum tragen lässt und alle auffordert, gemeinsam ein surrealistisches Kunstwerk zu schaffen, sieht Desnos seine schlimmsten Befürchtungen bestätigt. Breton will über den Surrealismus die Realität beeinflussen!

Desnos teilt seinen Verdacht mit Cocteau, und sein Freund erzählt ihm, dass jemand sich zurückgezogen hätte, um eine ‘Seance’ abzuhalten. Robert wird klar, dass derjenige in die Traumlande gegangen sein muss, dass andere noch folgen werden, und dass er selbst hinterher muss, um das Schlimmste zu verhindern. Also zieht er sich in die Küche zurück und überredet Monsieur Martin, ihn dort in der Ecke einfach ausruhen zu lassen und dafür zu sorgen, dass ihn niemand stört. Monsieur Martin instruiert auch Jacques, der gerade in die Küche kommt, entsprechend.

Schließlich kommt der Amerikaner noch einmal zu ihr. Yvonne wappnet sich schon gegen seine neuerlichen Versuche, sie herunterzumachen. Und tatsächlich, nichts anderes scheint er im Sinn zu haben. “Sie sind ein Nichts”, erklärt er ihr kalt. Yvonne erschrickt. Sie ist kein Nichts! Sie ist eine hart arbeitende Frau, sie ist recht ansehnlich, und sie kann zupacken. “Sie können aber Muse werden. Sehen Sie sich Kiki an, sie war auch einmal so ein Nichts wie Sie.” Yvonne schluckt. Wie spricht er denn über die Frau an seiner Seite? “Aber sie hat sich nach oben gearbeitet. Suchen Sie sich einfach einen Künstler, und bieten Sie sich ihm als Muse an.” Er mustert sie von oben bis unten. “Das Aussehen haben Sie. Und zur Not müssen Sie die Frau an seiner Seite einfach wegbeißen.”

Weg hier, nur weg. Was erlaubt dieser Mensch sich eigentlich? Yvonne spürt, wie ihr Herzschlag schneller wird. Sie will nicht eins von diesen Mädchen sein, das seinen Körper für einen Künstler hergibt. Das ist in ihren Augen nicht besser als die leichten Mädchen am Montmartre. Immer noch völlig außer sich über Man Rays Vorschlag, rennt sie in Valentine Hugo. Sie sieht sofort, dass etwas nicht in Ordnung ist mit Yvonne. “Was ist passiert?” fragt sie besorgt. Es sprudelt nur so aus Yvonne heraus, wie der Amerikaner sie gedemütigt hat. Valentine legt ihr beruhigend eine Hand auf den Arm. “Lassen Sie sich von einem Mann wie Man Ray nicht beeinflussen. Sie gehen Ihren Weg schon.” Yvonne nickt ihr dankbar zu. Wenigstens Mme Hugo scheint nicht so eine von diesen abgehobenen Künstlerseelen zu sein.

Aber dennoch, etwas haben Man Rays Worte in Yvonne ausgelöst. Wenn sie es nicht schafft, Aragon davon zu überzeugen, dass sie eine Anhängerin seiner Idee ist, dann kann sie vielleicht doch so tun, als interessiere sie sich für die Kunst. Aber wen kann sie fragen? Dali? Nein, der beachtet sie gar nicht. Breton? Der macht ihr Angst, auch wenn er sie “Mädchen” nennt und eigentlich freundlich ist. Robert oder Cocteau? Beide stehen immer noch bei Betty May. Eluard? Um Himmels willen, der sieht sie auch immer so abschätzig an. Aragon? Scheint verschwunden zu sein. Man Ray? Nein, freiwillig redet sie kein Wort mehr mit dem Amerikaner. De Chirico läuft an ihr vorbei, er wirkt ein wenig gehetzt, aber er war bisher nett zu ihr, und er schüchtert sie nicht so ein wie Dali oder Breton.

“Monsieur de Chirico”, wendet sie sich vorsichtig an ihn, und er dreht sich um. “Können Sie mir die Kunst erklären?” Vielleicht ist das nicht die intelligenteste aller Fragen, aber Yvonne ist nicht so gebildet wie die Künstler hier. De Chirico bleibt stehen und sieht sie etwas irritiert an. “Die Kunst soll ich Ihnen erklären? Wie stellen Sie sich das vor? Die Kunst kann man nicht erklären!” Yvonne fühlt sich schrecklich dumm und will sich entschuldigen, doch der Italiener scheint zu bemerken, was in ihr vorgeht. Seine Züge werden weicher und seine Stimme freundlicher. “Hören Sie, ich werden Ihnen alles erklären, aber zuvor muss ich noch etwas erledigen.” Sie nickt, der Italiener war doch die richtige Wahl für ihre Frage.

Schließlich kehrt er zurück und beginnt, ihr eines seiner Kunstwerke zu erklären. Es ist das, auf dem Elaine zuvor die Zeichen entdeckt hat. Steckt der Italiener doch mit den Kultisten unter einer Decke? Aber er ist so… nett. Und er gibt sich wirklich Mühe. Yvonne versteht nicht alles, was er ihr sagt, aber sie versucht, sich seine Worte zu merken. Dann muss sie aber auch wieder gehen, denn sie will keinesfalls noch einmal den Zorn von Monsieur Jacques auf sich wissen.

Kiki sucht Kontakt zu Betty May. Die Miene der elfenhaften Schönheit im durchsichtigen Mantel wirkt ein wenig unglücklich. Sie macht Andeutungen über ihrer beider Lebensweise und will wissen, ob Betty Muse werden möchte. Bevor die fragen kann, wie sie darauf kommt, wird ihre Gesprächspartnerin jedoch von Man Ray herbeizitiert, der sie für die Dauer der nächsten paar Gläser Champagner mit Beschlag belegt.

Betty findet die verkopften Künstler langweiliger als erhofft und betrinkt sich. Pierre läuft dauernd ohne sie herum und erwartet trotzdem, dass sie ihm keine Schande macht. Sie solle doch auf Kaffee umsteigen. Ihr kommen ernste Zweifel, dass sie aus so einem Spießer einen Ehemann machen kann, mit dem sie es den Rest ihres Lebens aushält, und sie beschwert sich mit schwerer Zunge bei diversen Leuten über die Unmöglichkeit, den Richtigen zu finden, fragt sarkastisch Dougal Creones, ob er der Nächstrichtige sein möchte. Da sind es bereits acht Gläser Sekt.

Monsieur Martin erkennt ihre Langeweile mit geübtem Blick und bietet an, Betty die Bilder zu erläutern, so gut er kann. Und er hat sogar ziemlich viel Ahnung. Man merkt, dass er mit den Künstlern auf täglicher Basis verkehrt. Nach einer Runde an den Wänden entlang beschließt Betty, ein Fan von Kiki zu sein, und drückt deren Bild einen Kussmund auf. Leider merkt es Man Ray nicht. Der Eklat bleibt aus.

Ermattet vom Alkohol beobachtet Betty relativ ungerührt den Ohnmachtsanfall von Yvonne, der Kellnerin, und hofft, dass es ein gutes Zeichen für den weiteren Verlauf des Abends ist, wenn die erste Schnapsleiche vor zehn weggetragen werden muss. Leider umsonst.

Stattdessen wird ihre Laune auf eine noch härtere Probe gestellt, denn Man Ray macht Kiki aus heitem Himmel und sehr aufmerksamkeitsheischend einen Heiratsantrag. Man hört kein Ja.

Ich erwache in Pauls Armen und spüre seine Nähe. Langsam setze ich mich auf, schaue ihn verwirrt an. Wollten wir nicht zusammen in die Traumlande? Warum bin ich nicht dort gewesen? Paul fragt mich, ob alles in Ordnung sei, und wo ich gewesen wäre. Immer noch irritiert frage ich ihn, ob er denn die Traumlande bereist hätte, da mir der Zugang verwehrt gewesen ist. Er berichtet von den Treppenstufen und einem Schiff, auf dem er fuhr. Ich blicke ihn an, höre seine Worte und doch höre ich ihm nicht wirklich zu. Enttäuschung breitet sich in mir aus, und ich spüre sogar einen Anflug von Panik. Wie soll ich die Traumlande verändern, wenn ich nicht zu ihnen kann? Ich muss es dringend später noch einmal versuchen. Auch Paul scheint verwirrt über das, was er in den Traumlanden gesehen hat, er will schon wieder mit Desnos darüber reden. Ich habe das Gefühl, dass es für den Moment besser ist, ihn nicht weiter mit meinen Plänen für die Traumlande zu bedrängen. Noch ein aufmunterndes Lächeln, dann gehe ich, um mich wieder unter die Gäste zu mischen.

Ich sehe diese Mäzenin aus der Normandie, Elaine de Braley, vor dem Bild von Giorgio de Chirico stehen und einen der anderen Anwesenden nach dem Künstler des Bildes fragen. Ein wenig Ablenkung tut grad gut und so trete ich zu ihr, um ihr nicht nur den Namen des Künstlers mitzuteilen, sondern ihr anzubieten, sie mit Giorgio bekannt zu machen. Sie ist darüber sehr erfreut, ebenso wie Giorgio nicht böse darüber scheint, dass ich ihn aus dem Gespräch mit Bonlieux löse, um ihn Elaine vorzustellen. Ich hoffe, dass ich später vielleicht auch noch in Ruhe mit Giorgio reden kann, doch bin ich mir recht unsicher darüber, wie er zu meinen Plänen stehen wird. Er ist zwar durchaus ein ganz passabler Künstler und ein wirklich guter Freund, doch sind seine Ansichten schon recht konservativ.

Ich kann von meiner Position sehen, dass sich die Leinwand langsam füllt, und gehe dorthin, um mir das Werk genauer anzuschauen.

Desnos meditiert lange in der Küche (ohne Opium, er war ja schon immer ein Träumer und kann die Traumlande auch ohne betreten), aber schließlich gelingt ihm der Übertritt doch.

Er landet an dem Strand, wo er mit Ray und Kiki zusammen den Film gedreht hatte, und wird dort Zeuge, wie die Seesternfrau die Träumende Yvonne (beide in den Traumlanden aus seiner Anbetung für Yvonne George entsprungen) angreift. Desnos springt hinzu und besiegt die Seesternfrau, und als er die Träumende Yvonne ansieht, erkennt er, dass es die Kellnerin Yvonne ist, oder besser: die Kellnerin Yvonne ist die Träumende. So oder so: SIE IST ES!!!

Die Vernissage erreicht bald ihren ersten Höhepunkt, Breton lässt eine Leinwand aufstellen und ermuntert die Anwesenden, sich darauf zu verewigen. Yvonne beschließt, dass das nicht für sie gilt – sie ist nur eine Angestellte. Gerade, als sie in die Küche gehen will, kommt Monsieur Jacques auf sie zu und drückt ihr verschwörerisch etwas in die Hand. Yvonne erkennt es als Opium. Will der Oberkellner etwa, dass sie Drogen nimmt? Nein, so etwas kann er nicht von ihr verlangen. Und tatsächlich, er raunt ihr zu, sie solle es vernichten. Yvonne steckt das kleine Päckchen in ihre Schürzentasche. Dort ist es erst einmal sicher, bis sie… bis sie… Ein Schwindel packt Yvonne, alles dreht sich um sie herum, ihre Beine gehorchen ihr nicht mehr. Ihr wird schwarz vor Augen.

Als sie wieder zu sich kommt, ist sie jedoch nicht mehr im Café. So wie es aussieht, ist sie noch nicht einmal mehr in Paris – oder in Frankreich. Sie steht bis zu den Knöcheln im Wasser, ihre Kleidung ist durchnässt bis auf die Haut, sie friert, ihre Haare kleben an ihrem Gesicht. Wo zur Hölle ist sie? Sind das hier vielleicht die Traumlande, von denen sie schon gehört hat? Sie muss hier weg, hier raus, ins Trockene… Aber bevor sie um Hilfe rufen kann, erscheint ein riesiger Seestern und versucht, sie zu packen und sie unter Wasser zu ziehen. Nein, sie will nicht sterben, nicht ertrinken, aber sie ist zu schwach, unbarmherzig zerrt der Seestern an ihr. Da, jemand kommt, um ihr zu helfen. Ist das… das ist Robert! Er stellt sich dem Seestern in den Weg, bekämpft ihn, rettet sie. Ihr Robert!

Plötzlich ist sie wieder im Café, in einem Hinterzimmer, doch immer noch durchnässt, auf ihren Armen die Abdrücke der Saugnäpfe des Seesterns. Robert ist bei ihr, er versucht, sie zu trösten, aber Yvonne will nicht mehr hier sein. Sie will nach Hause, sie will weg von diesem Ort, will nie wieder etwas von diesen Künstlern wissen. Elaine kommt hinzu, sie tröstet sie, und Robert lässt Yvonnes Hand nicht mehr los. Monsieur Martin ist besorgt und bringt Yvonne etwas zu trinken, aber eigentlich will sie doch nur weg.

Als wäre das alles nicht schlimm genug, kommt nun auch noch Man Ray dazu und will wissen, was passiert ist. Will er sich vergewissern, dass seine Kreatur sie nicht umgebracht hat?

Irgendjemand – Yvonne kann langsam nicht mehr erkennen, wer alles um sie herum steht und ihr Fragen stellt, zu sehr nimmt sie das alles mit – fragt sie, ob sie Opium genommen habe. Empört weist sie diese Frage von sich. Niemals würde sie so ein Zeug anfassen!

Desnos hält Yvonnes Hände fest und schwört ihr, dass er nicht zulassen werde, dass ihr je wieder etwas passiere.

Eine andere Stimme – ist es Man Ray? – ermuntert Yvonne nun, dass sie etwas Schönes und Positives auf die Leinwand malt, die Breton hat aufstellen lassen. Aber das will sie nicht. Sie ist keine Künstlerin, sie ist eine Kellnerin.

Aber bevor sie sich auch dazu durchringen kann, kommt es plötzlich zu einer Diskussion zwischen Robert, Elaine, Man Ray und Breton und einigen anderen. Auch die Reporterin Chloé Thomas mischt sich ein. Sie will jedoch nicht über die Traumlande oder Opium streiten, sie hat ein ganz anderes Ziel: Sie stiehlt die Leinwand und flieht damit. Bevor Yvonne weiß, wie ihr geschieht, sind Elaine, Robert und die anderen hinter ihr her.

Yvonne ist verwirrt. Was passiert hier nur?

Nach seiner Rückkehr aus den Traumlanden will Desnos sich eigentlich länger um Yvonne kümmern, aber die Ereignisse nehmen zu schnell Fahrt auf, und jeder scheint etwas von ihm zu wollen. Er kommt wieder mit Paul Éluard ins Gespräch, mit dem Desnos früher gut befreundet war, zu dem der Kontakt aber abgebrochen ist, seit Paul so an Breton hing. Als Desnos zu Éluard tritt, steht auch Elsa Triolet gerade bei dem Dichter, die Desnos auf den Kopf zusagt, traurig zu sein, was der auch nicht verneint.

Im Gespräch unter vier Augen, nachdem Elsa sich zurückgezogen hat, finden die beiden jetzt wieder eine gemeinsame Basis, und Desnos zieht Paul ins Vertrauen re/ seiner Sorgen über die Traumlande und seiner Überzeugung, dass die Leinwand dazu dienen soll, über surrealistische Motive darauf die Traumlande real werden zu lassen. Paul solle ihm dabei helfen, so viele Leute wie möglich dazu zu bringen, stattdessen klassische, nicht-surreale Bilder aufzumalen. Es ist Éluard, der auf die Idee kommt: “Wenn du davon überzeugt bist, dass das Bild so gefährlich ist, warum zerstörst du es dann nicht?”

Da hat Paul eigentlich recht – Desnos versucht, das Bild von der Staffelei zu reißen, aber es ist zu gut befestigt, und er reißt die Staffelei mit um. In der Verwirrung schnappt sich Chloé Thomas, die Reporterin, das Bild, und flieht damit. Desnos setzt ihr mit ein paar anderen nach, holt sie tatsächlich ein und zerstört das Bild, woraufhin die Reporterin empört davonrauscht. Für einen Moment hat er Angst, dass dieses Zerstören bereits die Traumlande freigesetzt haben könnte, aber dem scheint zum Glück nicht so zu sein.

Elaine gibt sich ihm als Investigatorin des Übernatürlichen zu erkennen und erklärt, dass sie über ein magisches Amulett verfügt, das übernatürliche Zeichen aufdecken kann. Auf der jetzt zerstörten Leinwand, sagt sie, habe sie okkulte Symbole entdeckt. Sie hat ein Stück des zerstörten Bildes an sich gebracht und zeigt Desnos die Symbole. Dann erklärt sie, dass sie ähnliche Symbole auch auf einigen der Kunstwerke in der Ausstellung entdeckt hat, und zeigt Robert auch diese, ebenso wie die Rune auf ihrem eigenen Bein.

Ich schaue mir die Leinwand an und bin verstört. Das Bild zeigt fast ausschließlich Abnormalitäten und Dinge, die einem Albtraum entsprungen sein müssen. Das einzig positive darauf scheint ein Lippenabdruck zu sein und mir fällt auf, wie ich Betty zu Valentine hab sagen hören, dass sie doch einen Kuss für Breton auf dem Bild hinterlassen solle. Immer noch entgeistert blicke ich die Leinwand an, und ich frage mich, wie all die schlimmen Dinge die anscheinend aus den Traumlanden hierher geholt worden sind, unsere Welt besser machen sollten. Wie es möglich sein sollte, mit diesen Albtraumbildnissen die Schatten in der Realität zu vertreiben. Noch während ich darüber nachdenke, tritt Bonlieux zu der Leinwand und versucht, diese aus dem Fenster zu werfen. Nun geht alles ganz schnell, da Desnos ihm das Bild abnimmt und zerstört. Ich fühle, wie mir leicht schwindelig wird und ich das Gefühl habe, dass mir der Boden unter den Füßen davon gezogen wird. Fassungslos stehe ich vor der zerstörten Leinwand, streiche sie glatt und überlege, ob sie zu kleben ist, als ich feststelle, dass auch Teile fehlen. Ich sehe mich im Raum um, suche Breton oder Aragon. So richtig weiß ich selbst nicht warum, aber ich brauche jetzt Halt von jemandem, der weiß um was es geht. Ich sehe Breton und gehe zu ihm, doch scheint dieser von der zerstörten Leinwand völlig unbeeindruckt. Er ist davon überzeugt, dass wir auch ohne sie die Tore zur Traumwelt öffnen können. Ich bin verwirrt, da ich bisher immer eine Veränderung herbeiführen wollte, aber keine Vermischung der Realität mit den Traumlanden. Bisher war mir die Möglichkeit gar nicht in den Sinn gekommen und Breton versucht mich mit seinen Worten einzulullen, sagt, ich solle mir keine Sorgen machen.

Desnos sucht Yvonne, will mit ihr reden, aber die beiden haben kaum ein paar Worte gewechselt, als er aus irgendeiner Quelle erfährt, dass Jacques, der Kellner, eine zweite Leinwand geholt hat und sich seltsam verhält. Das beunruhigt Robert, und er lässt schweren Herzens Yvonne stehen, um sich das einmal anzusehen. Jacques ist tatsächlich mit einer zweiten Leinwand unterwegs zum Ausstellungsraum, und er ist absolut und völlig unumstößlich davon überzeugt, dass die Leinwand dorthin gebracht werden muss. Es gelingt Robert, den Kellner auf einen kleinen Spaziergang um das Gebäude mitzunehmen und ihn ein wenig auszufragen, und was er von Jacques hört und wie der Kellner sich verhält, bestätigt den Poeten darin, dass Jacques irgendwie übernatürlich beeinflusst sein muss. Dass Jacques steif und fest erklärt, die zerstörte Leinwand sei “die Falsche” gewesen und die neue jetzt sei “die Richtige”, beunruhigt Desnos zutiefst. Wie kann das erste Bild das Falsche gewesen sein, wo es doch magische Runen auf sich hatte?

Nach dem Spaziergang um das Haus will Jacques die neue Leinwand ohne Unterbrechung in den Vernissagenraum bringen und weigert sich auch, sie loszulassen, aber Desnos gelingt es dennoch, Elaine zu sich zu rufen und Jacques zu einem kurzen Stopp zu bewegen, während dessen Elaine ihr Amulett über die Leinwand führt, um eventuelle Runen aufzudecken. Es sind aber keine zu finden, was Desnos’ Misstrauen jetzt nicht gerade beruhigt. Weiterhin ist er aber davon überzeugt, dass klassische Motive auf die Leinwand müssen, vor allem, weil Jacques so sehr darauf besteht, dass klassische Motive “falsch” sind und surrealistische Motive “richtig”. Elaine und Robert überreden den Kellner, dass er sie etwas darauf zeichnen lässt (beide wählen normale Szenen), ehe sie Jacques samt Leinwand in den Vernissagenraum gehen lassen, wo er die neue Leinwand aufstellt.

Yvonne hat keine Zeit, um sich zu erholen. Monsieur Jacques bricht in der Küche zusammen und ist für einige Zeit bewusstlos. Offensichtlich hat er Opium genommen. Monsieur Martin und Yvonne kümmern sich um ihn, aber natürlich dürfen auch die Gäste nicht vernachlässigt werden. Yvonne übernimmt das nur zu gerne, auch wenn sie sich immer noch nicht wieder wohlfühlt. Aber die Arbeit muss gemacht werden, ausruhen kann sie sich später.

Vorsichtig wagt sie sich wieder in den Ausstellungsraum. Valentine und Elsa fragen sie, ob alles in Ordnung ist, und ob man ihr Opium gegeben habe. Sie schüttelt den Kopf, es sei nur ein Schwächeanfall gewesen. Aber dann kommt doch jemand auf sie zu, der gesehen hat, wie Jacques ihr die Drogen gegeben hat. Sie nimmt ihren Vorgesetzten in Schutz, er habe es ihr nur gegeben, damit sie es vernichtet.

Kiki kommt auf Yvonne zu. “Haben Sie schon einmal darüber nachgedacht, eine Muse zu werden?” Yvonne schüttelt den Kopf. Nicht schon wieder dieses Gespräch! Aber Kiki de Montparnasse ist wesentlich einfühlsamer als ihr Lebensgefährte Man Ray. Dennoch, Yvonne verspürt nicht das Bedürfnis danach, eine Muse zu werden. Sie will wahre Gefühle. Wie für Robert. Aber der Dichter ist plötzlich verschwunden. Hatte er ihr nicht noch versprochen, dass ihr nichts mehr passiert? Plötzlich scheinen die Leinwände im Raum wichtiger zu sein als sie.

Und jetzt kommt auch noch Elaine an und bittet sie, ihr Hector vom Hals zu halten. Aber Duchamps möchte nicht von Elaine ferngehalten werden, und schon gar nicht von Yvonne. Er entschuldigt sich bei ihr und geht, und Yvonne hat keine Idee, wie sie ihn davon abbringen soll, weiter Elaine im wahrsten Sinne des Wortes nachzulaufen.

Als Desnos gerade ein weiteres Mal Yvonne gefunden hat, um endlich mit ihr zu sprechen und ihr seine Gefühle zu offenbaren, kommt Cocteau auf ihn zu und erklärt, alle müssten gemeinsam in die Traumlande reisen, um gemeinsam das Tor zu versiegeln und dafür zu sorgen, dass die Traumlande nicht in die Realität übergreifen können. Das lässt Roberts Misstrauen wieder aufflammen, auch seinem alten Freund gegenüber, denn alle gemeinsam in die Traumlande, das ist ja genau das, von dem Desnos glaubt, dass es dann die Traumlande in die Realität holt, das Tor öffnet, oder wie auch immer man das nennen will! Er fühlt sich fürchterlich überfordert und hat keinerlei Ahnung mehr, wem er trauen kann. Hat Cocteau vielleicht sogar recht? Braucht es vielleicht doch die Anstrengung aller gemeinsam? Aber das kann er sich nicht so richtig vorstellen. Wie kommt Cocteau überhaupt darauf? Das habe Dougal Creones ihm gesagt.

Dougal Creones? Was weiß der Schotte, dieser reiche Mäzen, oder was er ist, von den Traumlanden? Robert beschließt, mit Cocteaus Freund zu sprechen, aber Creones ist mehr als kühl gegenüber dem Poeten und verletzt angesichts der Tatsache, dass Desnos ihn vorhin beim Umreißen der Staffelei rüde angerempelt habe, es aber nicht einmal nötig habe, sich dafür zu entschuldigen. Das habe er gar nicht bemerkt, sagt Desnos, was Creones aber nicht gelten lässt. “Umso schlimmer.”

So wirklich über Dougals Vorschlag, dass alle gemeinsam in die Traumlande ziehen sollen, sprechen die beiden Männer gar nicht, oder zumindest nicht im Detail. Desnos zweifelt daran, dass das eine gute Idee wäre, aber an dem Mann selbst zweifelt er nicht.

Pierre lässt sich neben Betty auf eine Bank fallen und seiner Entrüstung freien Lauf über die politischen Ansichten der Surrealisten, mit denen man überhaupt nicht reden könne. Ihren Hinweis, dass der Herr die wunderbare Vielfalt liebt und jeder nach seiner Fasson leben könne, bekommt er in den völlig falschen Hals. Mit der Religion hält er es nicht sehr freundschaftlich. Als sie ihn mit der Frage aufmuntern will, ob er denn die Gegenwart von Chloé Thomas bereits dazu nutzen konnte, seine politische Botschaft weiter in die Öffentlichkeit zu tragen, erzählt er ihr aufgebracht, dass die Journalistin eine Schmähschrift über ihn verfassen will. Und über Betty gleich mit. So you want a catfight?

Betty stürmt an den Tisch der Frau und beschimpft diese, was ihr einfällt, läuft jedoch damit gegen eine Wand. Der “Schotte”, von dem sie mit jedem Wort weniger glaubt, dass er den richtigen Akzent hat, nutzt die Gelegenheit, sie in ein Gespräch zu verwickeln und ihr zur Nervenberuhigung seinen Sekt hinzuhalten, den sie in einem Zug hinunterstürzt. Das Getränk schmeckt nach Kopfschmerzen, es ist süßer als das trockene Zeug, mit dem sie bisher gequält wurde. Ganz nach ihrem Geschmack. Die exotische Note darin weckt Erinnerungen an rauschende Feiern und tiefe Abstürze. Während sie dem Alkohol – und wahrscheinlich anderem – nachspürt, lässt ihre Anspannung nach. Eigentlich ist es doch ganz nett hier. Dougal ist nett. Er interessiert sich dafür, ob sie die Traumlande kennt, stützt sie, als sie hinwegdämmert, macht ihr die Idee schmackhaft, die Traumlande zu verändern, aus einem Pferd ein Krokodil zu machen und den Kommunisten dort in die Suppe zu spucken. Sie möchte ein Krokodil mit Schubladen, ganz wie Dalís Giraffen. Auch das könne sie erschaffen, meint er. Und sollte sie in einer der Schubladen einen Ring finden, so sei es ihrer.

Verwirrter als zuvor gehe ich aus dem Gespräch mit Breton und sehe Paul im Gespräch mit Valentine. Sie wirken sehr vertraut, und ich freue mich, dass die beiden sich so gut verstehen. Ich geselle mich zu Ihnen und versuche Paul zu erklären, warum die Leinwand so wichtig war, und dass ich nun umso mehr seine Hilfe brauche, um die Welt, so wie wir sie kennen, zu retten. Paul versucht mich zu beruhigen und stellt die Theorie auf, dass die Ereignisse, die ich in den Karten gelesen habe, vielleicht eben jene wären, die ich durch die Veränderung herbeirufen würde. Ich weigere mich, dies zu glauben, denn dann… nein, ich weiß ja, was ich gesehen habe, oder…? Doch scheint er zu spüren, dass ich zweifle, und erklärt mir seine Vision der Veränderung. Er ist, genau wie ich, zwar davon überzeugt, dass die Traumlande die Welt verändern können, doch nicht, indem die Traumlande verändert werden, sondern in dem die Träumer ihre Ideen und Visionen aus den Traumlanden in die Realität tragen. So, wie er mit seinen Gedichten Hoffnung sät, ist er fest davon überzeugt, dass auch alle anderen Künstler ihren Teil auf diese Weise beitragen können. Er wirft mir vor, durch eine Veränderung der Traumlande den Menschen, uns, den freien Willen zu nehmen. Das ist gar nicht das, was ich vorhabe, ich will doch nur die Schatten vertreiben. Und doch dringen seine Worte tief in mein Unterbewusstsein ein. Dass ich durch diese Veränderung der Gesellschaft die Chance auf Hoffnung und selbstbestimmte Freiheit nehmen werde. Und dass dies der falsche Weg ist. Ich spüre wie sich seine Worte in mir festsetzen, doch will ich es nicht wahrhaben. Gerade als ich dagegen argumentieren will, sehen wir, wie Betty, die neben uns mit dem Schotten am Tisch steht, droht umzukippen. Für den Moment ist das Gespräch vergessen und Paul und Valentine stützen sie, helfen ihr auf die Bank hinter dem Stehtisch damit sie nicht umfallen kann. So habe ich sie noch nie erlebt, sie ist völlig hinweg gedämmert, obwohl sie doch eben noch am Tisch stand. Ja, unter Einfluss von Opium vielleicht, aber Betty würde doch kein Opium nehmen ohne sich vorher zu setzen? Dieser Schotte, Dougal Creones, ist auch keine wirkliche Hilfe. Warum wir sie nicht in Ruhe lassen, fragt er. “Weil sie noch nicht einmal im Sitzen ihren Kopf halten kann, ohne dass er gefährlich nach hinten abknickt…” möchte ich ihm entgegen schleudern, doch weiß ich auch, dass es nichts bringt, den Tumult, der in mir tobt, nach außen zu tragen. Denn schon wieder ringe ich mit mir, bin ich im Zwiespalt. Einerseits geht es Betty wirklich schlecht, und ich möchte für sie da sein. Andererseits weiß ich, dass ich mich beeilen muss, wenn ich noch eine minimale Chance auf ein Gelingen unseres Planes haben möchte. Als Paul und Valentine anbieten, sich um Betty zu kümmern und sie zu einem ruhigen Platz zu bringen, bin ich sehr erleichtert.

Zunächst stören noch aufgeregte Stimmen Bettys Träume. Sie hat ein Lied auf den Lippen, für das ihre Zunge zu schwer ist, der Text will sich nicht einfangen lassen. Die Schläfrigkeit umfängt sie schon zu sehr, um die Stimmen zur Ruhe zu gemahnen. …. Voices promising the sweetest dreams…In the land of Lethe… you know how it feels… Valentine, Gala, wieder Valentine, die auf Dougal einreden, der kühl und unbesorgt bleibt. Valentines sanfte Umarmung, als sie Betty von Creones wegzieht. Dann Pauls Stimme, ein festerer Griff, knappe, beherrschte Worte. Herbes Aftershave, dafür gemacht, ehrbare Frauen zu Fall zu bringen. Es fällt ihr schwer, sich auf den Beinen zu halten… Like a flower bending in the breeze… Man nötigt sie zum Trinken. Ein schrecklicher Stoff, wie das giftige Wasser aus dem verbotenen Bach von Thelema, das Mischette umgebracht hat… “Uuh, that killed the cat!”… nein, Loveday, Loveday hat die Katze umgebracht, das Wasser hat Loveday umgebracht, das Wasser und die Malaria und die falschen Lehren des elenden Mystikers. Fluch dir, Crowley! Fluch dir, Creones, der du mich vergiftet hast!

Ihr Kopf ruht auf einem warmen, atmenden schneeweißen Kissen wie auf einer Wolke. Der Herzschlag lullt sie vollends ein… Like a lazy ocean hugs the shore… Auf dieser Wolke schwebt sie langsam aus einem Himmel voller leise rauschender Sterne herab, in eine sich weit erstreckende Renaissancestadt. Die Bauwerke sind aus regenbogenfarbigem, etwas dunkel getöntem Glas gebaut. Hunderte und aberhunderte von Türmen, kleineren Burgen, pompösen Brücken und ausladenden Fassaden erstrecken sich in alle Richtungen bis zum Horizont.

In der Mitte thront ein wunderschönes, geschwungenes Schloss auf einem großen See. Unzählige große Segelschiffe befahren diesen oder liegen vor Anker, werden be- oder entladen. Der Himmel über der Kulisse ist in einen goldenen Sonnenuntergang gehüllt. Die Stadt platzt vor Leben förmlich auseinander.

In den Straßen tummeln sich hunderte, gar tausende vollkommen unbekleideter Menschen weißer, brauner und schwarzer Hautfarbe. Eine Gestalt und Form ist schöner als die Nächste. Erregung kriecht in ihr hoch.

Bettys Augen schweifen weiter und sie sieht dunkel-metallisch glänzende Menschen, wie auch einige Wesen mit Leibern ähnlich denen von Fröschen, Katzen und gar bepelzte Ziegenmenschen mit Hufen als Füße. Frieden, Eintracht, Vielfalt.

Die breiten, hellen Straßen sind voll mit geschäftigem Treiben. Vielerorts hört sie Lachen. Ein großer Marktplatz. Eine wundervolle Metropole.

Immer wieder streift ihr Blick einen Menschen, den sie als wunderschön erachtet, doch schon ist er weitergewandert und bleibt an dem Körper der nächsten Gestalt hängen, die noch viel schöner ist als die vorherige…

Betty erinnert sich an die Geschichte vom Krokodil, versucht, ein Pferd zu erspähen, doch keine Tiere finden sich in der Stadt, nur Menschen, fröhliche nackte Menschen. Sie sieht an sich herab und stellt vergnügt fest, dass sie ebenfalls unbekleidet ist. Ein Kribbeln auf der Haut verrät ihr, ohne dass sie hinsehen muss, wie sie gemustert wird, wie sich Blicke gierig auf sie heften. Ein vertrautes, wohliges Gefühl. Aus Gewohnheit und Koketterie beginnt sie zu tanzen, und die nackten Leiber wiegen sich mit ihr im Takt. Des gouttes de rosée à mon front, comme un vin de vigueur…

Sie wird einer gewaltigen Hand gewahr, die aus dem Himmel über der Stadt schwebt.

Die Hand bewegt sich der eines Puppenspielers gleich. Für einen kurzen Moment hält die Hand in ihren Regungen inne. Das Leben – für den Bruchteil eines Herzschlages – ebenso. Dann gehen die Bewegungen weiter. Das rege Treiben fährt fort. Alles tanzt wild um sie her. Dance with me, sway with me!

Die satten Farben, die berauschenden Eindrücke, die körperliche Erregung, die wunderschönen nackten Körper. J’allais sous le ciel, Muse ! et j’étais ton féal ;

Oh ! là là ! que d’amours splendides j’ai rêvées !

Da war doch noch etwas, ein Ziel, das sie erreichen sollte, wollte… hastig greift sie nach der obersten Schublade eines Schränkchens an einem Marktstand. Doch es ist kein Ring darin, nur weitere Tänzer. Ihr Lächeln erlischt, und ihre Lippen verschließen sich, während der Schatten sich über sie legt. Als sie aus den Traumlanden zurückkehrt, weiß sie, was sie auf die Leinwand bringen will.

Sie erwacht an Éluards Schulter gelehnt. Noch unter dem restlichen Einfluss der Drogen gibt sie dem Drängen von Paul und Valentine nach und erzählt, was sie gesehen hat, dass sie nicht zum ersten Mal in den Traumlanden war, aber auch diesmal nichts verändern konnte. Dann zieht sie los, um dem Nicht-Schotten eine Ohrfeige zu verpassen, weil er sie ohne zu fragen unter Drogen gesetzt hat. Sie, die so lange an sich gearbeitet hat, um die Finger sowohl vom Kokain als auch vom Opium zu lassen! Vor aller Augen will sie ihm ihre Verachtung entgegenschleudern, aber nicht, ohne vorher ihre aufgelöste Frisur wieder in Ordnung zu bringen. Der Auftritt sollte schon gelingen.

Er steht mitten im Raum und sieht ihr erwartungsvoll entgegen, als sie sich schnellen Schrittes einen Weg zu ihm bahnt. Sie holt aus, schlägt ihn mit voller Wucht ins Gesicht und bohrt ihm einen spitz zugeschliffenen Fingernagel in den Solarplexus.

“You, Sir, are neither a Scotsman nor a gentleman!”

Es ist irgendwie leerer geworden, hier im Hauptraum der Vernissage, ich weiß gar nicht, wo alle sind. Aber eigentlich ist es mir auch gerade egal, ich mag die Ruhe, sie gibt mir den Moment den ich brauche um mich zu sammeln. Ein Lächeln stiehlt sich auf mein Gesicht, als ich Dalí sehe, der anscheinend gerade aus einem Opiumtraum erwacht. Ich gehe zu ihm, streichle Babu und bleibe bei ihm stehen. Sein Lächeln, als er ganz erwacht und mich sieht, ist für mich wie ein Anker in rauer See. Und erneut fühle ich mich schlecht, da ich ihn nicht mit einbeziehe. Aber wie kann ich ihm meine Sorgen und Ängste mitteilen, ohne ihn zu beunruhigen? Und ich will ihn nicht beunruhigen, dafür liebe ich ihn zu sehr. Nein, ich werde es alleine schaffen. Ich werde ihn nicht verlieren, nicht ihn, nicht das Leben, das ich an seiner Seite führe. Ich lächele zurück und frage ihn, was er in den Traumlanden gesehen hat. Er berichtet von einer traumhaft schönen Szene und dass alles friedlich und ruhig dort sei. Diese Aussage macht mein Herz wieder ein wenig leichter, und ich verlasse ihn mit den Worten, dass ich jetzt den Traumlanden auch noch einen Besuch abstatten möchte.

Ich gehe zu Aragon, um mich über die Fortführung unseres Plans zu unterhalten. Noch während wir uns unterhalten, kommt seine Frau wie eine Furie auf uns zu und unterbricht uns recht rüde. Mit strengem Tonfall weist sie mich darauf hin, dass mein Gesprächspartner ihr Gatte sei und meiner sich am anderen Ende des Raumes befinden würde. Ich lächle sie charmant an und entgegne ihr, dass mir dies durchaus bewusst sei, ehe ich mich wieder dem Gespräch mit Aragon widme.

Auch er ist sehr besorgt, was unseren Plan angeht, ich berichte, dass mein erster Versuch des Abends, in die Traumlande zu reisen, gescheitert ist. Wir beschließen zusammen einen erneuten Versuch zu unternehmen und setzen uns aneinander gelehnt gemütlich hin. Ich bin mir recht sicher, dass Aragons Gattin dies weniger amüsant finden wird, doch ist das nun wirklich sein und nicht mein Problem. Im Wegdämmern sehe ich sie noch mit Dalí zusammen zu uns treten, doch wirkt das Opium recht schnell, so dass ich ihre Worte nicht mehr hören kann. Diesesmal gelingt es mir die Traumlande zu bereisen und ich fliege mit Aragon den Treppenturm hinab. Wir landen in einer friedlichen Szene, in einer Stadt voller nackter Männer und Frauen, die Fröhlichkeit und Harmonie ausstrahlen. Als ich mich genauer umschaue, sehe ich einen Schatten, der auf die Menschen fällt, und mein Blick nach oben zeigt mir die Hand, die über all dem schwebt. Wie Marionetten hängen die Menschen an Fäden an dieser Hand, werden bewegt und gelenkt. Pauls Worte fallen mir wieder ein “Wir dürfen den Menschen nicht den freien Willen nehmen…” Ich blicke zu der Hand und frage mich, ob ein Durchschneiden der Fäden vielleicht auch ein Lossagen der Menschen vom Faschismus, von der sie in die falsche Richtung lenkenden Hand in der Realität bedeuten kann und handele einfach. Ich greife nach einer Schere und durchtrenne die Fäden. Die Menschen und die Stadt verschwimmen vor meinen Augen, ich spüre, wie mich mein Körper in die reale Welt zurückzieht. Mein Blick ist immer noch auf die Schere in meiner Hand gerichtet. Sie verschwimmt, nimmt surreale Züge an, doch konzentriere ich mich auf das real wirkende Werkzeug in meinen Händen. Ich sehe Aragon neben mir, ein Wollknäuel in seiner Hand. Wie passend, denke ich noch, da erwachen wir auch schon.

Es ist immer noch erstaunlich leer im Hauptraum der Vernissage, und wir bekommen mit, dass sich sehr viele Gäste in der Küche versammelt haben. Aragon und ich gesellen uns hinzu und stellen fest, dass an einer neuen Leinwand gearbeitet wird. Dies beruhigt mich sehr, habe ich doch nun Hoffnung, dass vielleicht doch noch eine Veränderung bewirkt werden kann. Dieser Kellner scheint irgendwie sehr besitzergreifend, was das Bild angeht, und lässt nur zu, dass Bilder, die wir auch tatsächlich in den Traumlanden gesehen haben, darauf verewigt werden. Elaine de Braley unterstützt ihn darin und zeichnet nachdem sie mit mir und Aragon gesprochen hat, eine Schere und ein Wollknäuel darauf. Ich finde es sehr befremdlich, dass nun Laien versuchen, dieses Kunstwerk zu schaffen, doch war ja der Plan auch, möglichst viel Kraft aus allen Anwesenden zu ziehen. Außerdem scheint es mir, als hätte ich auf diese Entwicklung nun wirklich keinen Einfluss mehr, und ich spüre wie ich langsam resigniere. Da sehe ich Paul der auch schon zu mir kommt und fragt, was ich in den Traumlanden gesehen und getan hätte. Ich versichere ihm, dass es dort friedlich und ruhig war und auch, dass ich nur Veränderungen vorgenommen habe, die in seinem Sinne waren. Dass er Recht hatte, und ich das bestimmende, lenkende Element in den Traumlanden zerstört habe. Das ich darauf hoffe, dass dies Einfluss auf die Realität hat, verschweige ich ihm lieber, und er fragt auch nicht weiter nach. Er berichtet, dass wohl einige in den Traumlanden albtraumartige Ergebnisse hatten, und es wird die Theorie aufgestellt, dass durch die vielen Träumer dort böse Machenschaften geweckt wurden. Ich kann dies nicht ganz nachvollziehen, war doch gerade eben alles friedlich. Noch während ich mit Paul im Gespräch bin, bekomme ich mit, wie neben uns darüber debattiert wird, dass wohl Tore geöffnet wurden, beziehungsweise versucht wird, dies zu tun. Ich höre, wie Aragon verdächtigt wird und darüber diskutiert wird, ob es wirklich so eine gute Idee ist, das Bild fertig zu stellen. In mir spüre ich, wie ich nach Strohhalmen greife und hier jetzt meine letzte Chance ist, noch den Plan irgendwie zu retten. Ich wende mich Elaine zu und erkläre ihr, dass dies Bild unbedingt fertig gestellt werden muss, um Unheil zu verhindern und sage ihr auch, dass Aragon nicht derjenige ist, der die Tore öffnen will. Als ich auf Elaine einrede höre ich auf einmal Dalís Stimme hinter mir und sehe, als ich mich umdrehe seinen fragenden und enttäuschten Blick. Dieser Blick zieht mir erneut den Boden unter den Füßen weg, und ich lasse Elaine und auch alle anderen dort in der Küche zurück, um mit Dalí zu reden, ihm zu erklären was ich getan habe, tun musste. Wie erwartet versteht er nicht, dass es keinen anderen Weg gibt. Doch er ist so ernst dabei, dass es mir Angst macht. Er erklärt mir, dass ein Ändern der Traumlande viel zu gefährlich sei, da ich nur die Oberfläche, jedoch nicht die vielen Ebenen dahinter kennen würde. Seit tausenden von Jahren hätte niemand die Traumlande mit der Realität verschmolzen, weil es zu gefährlich ist. Ich will es nicht hören, da seine Worte einfach viel zu viel Sinn ergeben. Ich kann und will den Gedanken an Rettung nicht aufgeben und doch… Ich weiß nicht mehr weiter. Da kommt Desnos in den Raum der Vernissage zurück und hält einen elendigen Monolog. Er will wissen, was jeder einzelne von uns in den Traumlanden erlebt hat, und verlangt, dass alles aufgeklärt werden muss. Ich versuche ihn zu unterbrechen, doch ist er zu sehr von einem Redeschwall erfasst. Ich stehe derweil mit Dalí, Paul und Valentine zusammen und erfahre, dass wohl Breton zusammen mit Man Ray verschwunden sei. Man Ray kennt anscheinend eine Möglichkeit, körperlich in die Traumlande zu reisen, und wollte Breton mitnehmen, um das Tor zwischen den Welten aufzustoßen. Nun verstehe ich gar nichts mehr und hoffe, dass Breton mich nicht nur für seine Zwecke mißbraucht hat, sondern sich an unseren Plan hält. Dalí entschuldigt sich, und ich bleibe mit Paul und Valentine zurück. Valentine erzählt, dass sie in den Traumlanden immer die Möglichkeit hatte, Breton zu sehen, und plant zusammen mit Desnos Breton hinterher zu reisen, um ihn aufzuhalten. Ich weiß nicht mehr, was ich hoffen soll, was ich tun kann, um doch noch alles zum Guten zu wenden. Ich blicke zu Paul, und erneut kommt mir der Gedanke, seine Liebe zu mir zu mißbrauchen. Der Blickkontakt zu ihm bringt mich dazu, mich abzuwenden und zu gehen, und ich weiß selbst nicht so richtig, warum. Habe ich Angst vor seiner Antwort, wenn ich ihn bitte, Valentine und Desnos mir zuliebe aufzuhalten? Ist es die Wut auf mich selbst, dass ich überhaupt diesen Gedanken habe? Zum Glück dauert es einen Moment, ehe Paul mir folgt. Ein Moment, den ich dringend nötig habe, um mich zu sammeln. Er bittet mich wieder darum, Hoffnung zu haben, nicht aufzugeben. Und ich fühle mich innerlich so leer und ausgebrannt wie noch nie zuvor. Ich weiß, dass mir eigentlich nichts mehr bleibt als die Hoffnung. Hoffnung darauf, dass Breton das Richtige tut und nicht von Valentine und Desnos gestört wird, oder aber dass sie, falls er mit Man Ray doch andere Pläne verfolgt, aufgehalten wird. Ich spüre, dass meine Rolle in diesem Stück auf die einer Zuschauerin geschrumpft ist und ich auch keine Kraft mehr habe, etwas anderes zu tun, als Hoffnung zu haben. Paul will mit den Beiden einen ruhigen Platz suchen und darauf achten, dass sie nicht gestört werden. Ich lächle ihn noch einmal an und hoffe wider besseres Wissen, dass er mir meinen inneren Tumult nicht ansieht.

Man Ray redet indessen mit Breton. Als Desnos dazukommt, erklärt Ray, wenn Breton so versessen darauf sei, in die Traumlande hinüberzuwechseln und dort zu bleiben, dann solle er das um alles in der Welt eben tun. Aber er solle niemanden anderen mit hinein- bzw. hinüberziehen – das sei einzig und allein seine Sache. Und vor allem solle er dann gerne in den Traumlanden glücklich werden, aber die Traumlande die Traumlande sein lassen und deren Realität nicht in die echte Welt hinüberbringen! Ray werde ihm den echten Übergang zeigen, den der Amerikaner ja vom Filmdreh mit Desnos kennt. Breton stimmt zu: Alleine in die Traumlande zu gehen, sei besser als nichts.

Robert ist skeptisch, weil er ja bisher immer der Ansicht war, Breton dürfe auf gar keinen Fall erfahren, dass es einen echten Übergang in die Traumlande gibt. Aber wenn Breton so unbedingt süchtig hinüber will und dann auch drüben bleibt, ohne Einfluss auf die richtige Welt nehmen und die Traumlande zum Schlechteren verändern zu können, dann wäre das vielleicht gar nicht so verkehrt. Aber dennoch hat Desnos ein schlechtes Gefühl dabei, und er bittet Ray, mit der Ausführung des Plans noch zu warten. Denn Robert fühlt sich derart verwirrt und unsicher, was das Richtige ist und wem er noch trauen kann, dass er erst mit den beiden Personen sprechen möchte, denen er inzwischen am meisten vertraut: Paul und Elaine. Die beiden sind ähnlich skeptisch wie Desnos, aber als er zurück in den Flur kommt, sind Ray und Breton schon aufgebrochen. Verdammt!

Und noch etwas weiteres geschieht: Robert erfährt, dass das Opium, das schon den ganzen Abend über auf der Vernissage kursiert und die Leute dazu gebracht hat, in die Traumlande zu kommen, offenbar aus dem Besitz des Schotten Dougal Creones stammte, denn ein großer Vorrat davon wurde in dessen Reisetruhe gefunden. Desnos konfrontiert Creones, der aber erklärt, das Zeug sei nicht seines, also nimmt Desnos das Glas mit der Droge kurzerhand an sich. Dann kann wenigstens niemand weiteres damit in die Traumlande reisen.

Es ist nicht so einfach, den Überblick zu behalten. Wo ist Robert? Er hatte ihr doch versprochen, ihr nicht mehr von der Seite zu weichen, aber jetzt scheinen diese Bilder wichtiger zu sein als alles andere. Auch Monsieur Jacques hat sich nicht mehr erholt, wirre Sätze ausstoßend wie “Aber es hatte Schmetterlingsflügel statt Segel!” malt er seltsame Dinge auf die Leinwand. Das Opium muss seinen Geist völlig zerrüttet haben. Yvonne hat Mitleid mit ihm, auch wenn er sie zuvor so herumgescheucht hat.

Die Gäste haben sich zerstreut, und Yvonne hat keine Idee, wo Elaine und die anderen inzwischen sind. Doch während sie die Getränke verteilt, hört sie plötzlich in einem Gesprächsfetzen, dass nicht Breton, sondern Aragon der Drahtzieher zu sein scheint. Sie erzählt Elaine von ihrer Vermutung, und diese informiert Robert.

Von Yvonne vor Aragon gewarnt, geht Desnos sich den Mann, mit dem er den ganzen Abend über noch kaum ein Wort gewechselt hat, einmal genauer ansehen. Er hört ein Gespräch zwischen dem Spanier und Elsa Triolet, in dem Aragon zu Desnos’ Entsetzen erklärt, mit Man Ray und Bretons körperlicher Reise in die Traumlande sei der Plan aufgegangen. Jetzt könne Breton dort in den Traumlanden der “letzte Träumer” werden, und wenn die Tore geschlossen würden, dann könne Breton zwar nicht mehr zurück, aber auch nie wieder jemand zu ihm hin, und somit könne er ganz ungestört sein Werk verrichten.

Desnos ist außer sich: Das darf nicht geschehen! Aber Man Ray und Breton sind bereits aufgebrochen, also was kann man tun?

Robert sucht Hilfe bei Éluard und Elaine, wobei letztere gerade Hector abblitzen lässt, wie Robert gerade noch am Rande mitbekommt. Auch Valentine Hugo kommt dazu, und als sie von dem Problem hört, erklärt die Künstlerin, dass sie immer dort ist, wo Breton ist, wenn sie die Traumlande betritt.

Das könnte eine Chance sein! Wenn Valentine in den Traumlanden immer an den Ort gezogen wird, wo Breton sich gerade aufhält, dann ist das vielleicht ein Weg, um den Kommunisten zu finden und ihn aufzuhalten!

Paul Éluard, guter Freund, der er ist, erklärt sich bereit, auf die beiden aufzupassen und dafür zu sorgen, dass sie nicht gestört werden. Das Glas mit dem Opium, das Robert zuvor in der Truhe des Schotten gefunden hatte, hütet er auch solange.

Valentine und Desnos meditieren gemeinsam, aber Desnos gelingt es an diesem Abend nicht noch einmal, die Traumlande zu betreten. Als Valentine wieder zu sich kommt, berichtet sie, dass sie zwar in den Traumlanden gewesen sei, aber Breton dort nicht gesehen habe.

Alle versammeln sich im Ausstellungsraum, und Robert hält eine flammende Rede. In deren Verlauf ergibt sich für Yvonne die Gelegenheit, Aragon ihre ganze Todesangst entgegen zu schleudern, die sie im Kampf mit dem Seestern ausgestanden hat. Doch der Dichter scheint davon völlig unberührt zu sein. Weinend verbirgt Yvonne ihren Kopf an Elaines Schulter. Sie ist eben nur das Serviermädchen.

Zwischen den Künstlern ist inzwischen ein Streit entbrannt, ob man die Realität oder die Traumlande von der jeweils anderen Seite beeinflussen kann oder sollte, oder ob man körperlich in die Traumlande vordringen kann. Sobald es politisch wird, verliert Betty den Faden und das Interesse. Lediglich Desnos macht mit seinem leidenschaftlichen Plädoyer für die Normalität ein bisschen Eindruck bei ihr. Leider predigt er damit auch die Langeweile und macht ihr Angst vor der Zukunft. Soll sie nun ihre Idee aufmalen oder nicht?

Valentine will in die Traumlande, um dort Breton zu finden, dem es angeblich gelungen ist, diese körperlich zu betreten. Als Betty helfen und sie begleiten will, wird sie von Elaine de Braley, die vorher noch so freundlich war, als nicht vertrauenswürdig hingestellt, weil sie zum Zirkel von Aleister Crowley gehört hat. Nach einem schmerzhaften Wortwechsel, in dem sie de Braley davon zu überzeugen versucht, dass es wirklich nur eine Katze war und niemals ein Kind, zieht sich Betty enttäuscht zurück, damit sich ihre Freunde nicht vor lauter Misstrauen von ihr abwenden. Valentine, die sagt, sie kann Breton in den Traumlanden immer sehen, geht allein. Betty bleibt unter lauter Fremden, Verrückten allein und fragt sich, warum sie nicht einmal in der nackten Stadt einen Geliebten gesehen hat.

Sie kommt ins Gespräch mit Elsa Triolet, die nichts von Drogen hält, und erzählt ihr von den eigenen Erfahrungen mit Kokain und weiteren bewusstseinserweiternden Mitteln. Inzwischen ist der Gedanke, auf Kaffee oder Schokolade umzusteigen, immer reizvoller, auch wenn weder das eine noch das andere wirklich gute Laune machen.

Ich sehe Dalí am Kamin stehen und gehe zu ihm. Allein seine Anwesenheit gibt mir Halt, und ich spüre dass er es sein kann, der mir die Hoffnung gibt, die ich brauche. Seit dem ich mit ihm zusammen bin, habe ich alles, was ich im Leben haben wollte, nur die Angst vor der Zukunft ließ mich zweifeln. Ich habe immer noch Angst, Angst vor den Schatten die sich über Europa zusammen brauen. Und ich erzähle ihm davon, von der Angst, die mich dazu getrieben hat, zu versuchen, die Welt zu ändern. Ich rede und rede, und irgendwann höre ich mich sagen “Wenn der Krieg kommt, verlässt du mit mir Europa?” Ich glaube er weiß garnicht, wie sehr seine Antwort mir Hoffnung gibt. Wie die Worte “Ja, wir gehen nach Amerika” die Anspannung der letzten Wochen von mir nehmen. Ich spüre wie sich eine einzelne Träne in meinem linken Auge bildet, doch ist es eine Träne der Erleichterung. Einen Moment lang stehen wir beide dort zusammen und es bedarf keiner weiteren Worte, um die tiefe Verbundenheit zu spüren. Dann, nach einer gefühlten Ewigkeit, lösen wir den Blickkontakt und ich gehe, um zu schauen, wie es Paul mit Valentine und Desnos ergeht.

Robert, der nicht mehr weiß, wem er trauen kann und was er noch tun soll, um das Übergreifen der Traumlande auf die wirkliche Welt zu verhindern, ruft, nach einem Gespräch mit Gala von dieser auf den Gedanken gebracht, alle noch anwesenden Gäste der Vernissage im Saal zusammen. Dort hält er eine leidenschaftliche Rede für die Normalität – Ja, die Traumlande sind wunderbar, und ja, sie können Kunst inspirieren, aber die Traumlande sind die Traumlande, und diese Welt ist diese Welt, aber die Traumlande hätten bereits begonnen, sich zum Schlimmeren zu verändern, und beide sollten getrennt bleiben. Und ja, natürlich müsse man den Nationalsozialismus bekämpfen, aber mit den Mitteln dieser Welt, nicht mit denen der Traumlande! Er wisse zwar nicht, wem in diesem Raum alles zu trauen sei und wem nicht, auch könne er von niemandem verlangen, ihm zu glauben, aber wer die Welt der Menschen retten wolle, wie sie sei, der müsse etwas Normales auf die Leinwand da vorne malen.

Als der Abend voranschreitet, leert sich der Vernissageraum. Wo sind sie alle hin? Yvonne tut das, wofür sie hergekommen ist: Sie räumt ein wenig auf und kümmert sich dann um den letzten verbliebenen Gast: Dougal Creones, der schottische Begleiter von … Betty May? Nein, halt, er kam mit Cocteau.

Creones ist ungehalten, er beschwert sich, dass er von allen verlassen wurde und niemand würde ihm etwas sagen, geschweige denn, zu trinken bringen. Yvonne kann ihm auch nichts sagen, aber sie kann für sein leibliches Wohl sorgen.

Sie nimmt sich auch ein Glas und setzt sich zu ihm. Er scheint dankbar zu sein, dass sich jemand um ihn kümmert, und er bittet Yvonne, sich zu ihm zu setzen. Sie sieht sich um. Da außer ihnen kaum noch jemand im Vernissage-Raum ist, kann sie das wohl tun, und auch Monsieur Martin scheint nichts dagegen zu haben. Schließlich kommen die beiden ins Gespräch. Yvonne erzählt ihm, was passiert ist, und dass sie doch eigentlich nur wissen will, wer ihren Mann umgebracht hat. Auch wenn sie es nicht will, muss sie zum dritten Mal an diesem Abend weinen. Dougal fragt sie, ob sie das Opium genommen habe. Sie verneint – vehement wie immer -, aber dann fragt er sie, ob sie es noch hat. Sie zieht es aus der Schürze und gibt es ihm. Er fragt sie, ob sie bereit ist, mit ihm noch einmal hinüber zu gehen in die Traumlande, sie nickt. Sie schafft das.

Doch es kommt nicht dazu, dass der Schotte und sie wieder hinübergehen. Sie werden wieder getrennt, und Yvonne trifft schließlich auch Chirico. Er scheint genau wie sie nicht zu wissen, was vor sich geht, aber er ist genauso der Meinung, dass die Antwort in den Traumlanden liegt. Er fragt Yvonne, ob sie sich zutraut, mit ihm hinüberzugehen. Schließt das Opium mit ein? Sie will kein Opium nehmen. Er beruhigt sie, er könne das ohne Drogen, und sie sei ja beim ersten Mal auch ohne Hilfsmittel hinübergegangen. Sie schaudert leicht, als er das sagt, aber sie will sehen, was sich auf der anderen Seite verbirgt, und sie vertraut dem Italiener. Er sieht sie mit einem aufrichtigen Lächeln an, dann reicht er ihr die Hand, und gemeinsam gehen sie herüber.

Wüste. Steinerne Wüste. Eine karge Felslandschaft. Kein Horizont ist zu sehen, die Felsen verbergen alles. Es ist kalt, ein schneidender Wind geht durch die Steinsäulen. Yvonne bekommt Angst, das hier ist vielleicht nicht das Meer, aber es ist mindestens genauso schlimm. Aber diesmal ist sie nicht allein, Giorgio hält immer noch ihre Hand, er wird sie nicht loslassen. Plötzlich hört sie ein Kreischen, ein unmenschliches Geräusch. Sie sind nicht allein in dieser Wüste aus Stein, seltsame Kreaturen bewohnen sie, Yvonne fühlt sich an die steinernen Gargouilles an Notre-Dame erinnert. Diese Wesen sind jedoch höchst lebendig, und sie stürzen sich auf sie und Giorgio. Es gelingt ihm, sie wegzustoßen – nein, lass mich nicht allein zurück!

Yvonne fällt, sie fällt, die Wesen stoßen ihr nach, doch sie erreichen sie nicht. Sie schließt die Augen. Schließlich fällt sie weich, und sie wagt es, die Augen zu öffnen. Sie liegt auf einer Wiese, nicht weit von ihr ist eine Stadt. Die ganze Gegend ist das komplette Gegenteil dessen, wo sie gerade war, alles ist warm und freundlich, Vögel singen und Blumen blühen. Es ist friedlich hier, und so macht sie sich auf in Richtung Stadt.

Es ist eine Stadt voller Katzen, alle möglichen Größen und Farben. Sie schnurren und kommen zu Yvonne, um ihr um die Beine zu streichen, sie sind neugierig, wer der seltsame Zweibeiner in dem schwarzen Kleid ist. Yvonne beugt sich herunter und streichelt die Katzen, die sich gerne von ihr kraulen lassen. Was für eine wunderbare Gegend!

Da kommt plötzlich eine dicke riesige Perserkatze zu den anderen Katzen, sie hat schon fast die Größe eines kleinen Hundes. Ihre Schnurrhaare erinnern Yvonne frappant an Dalí, und für einen Moment ist Yvonne besorgt, aber auch die Perserkatze lässt sich von ihr streicheln.

Und als wäre das nicht genug, regnet es jetzt Katzenminze, und die Katzen – auch die Perserkatze – stürzen sich darauf, fressen die Blätter, und ein vielstimmiges Schnurren beginnt, als die Katzen sich glücklich über die Wiese wälzen. Yvonne zieht sich zurück, sie stört hier nur, und als sie die Augen ein zweites Mal schließt und wieder öffnet, ist sie wieder im Café.

De Chirico – Giorgio – wartet bereits auf sie, er war sehr besorgt, als er gemerkt hat, dass er ohne sie zurückgekommen ist. Doch zum ersten Mal an diesem Abend fühlt Yvonne sich gut und erleichtert, denn sie weiß jetzt, dass nicht alles schlecht in den Traumlanden ist. So gestärkt geht sie zur Leinwand und malt eine Katze darauf. Sie dreht sich herum und sieht Giorgio hinter sich stehen. Vielleicht wird doch noch alles wieder gut.

Leute gehen in die Traumlande und kommen wieder zurück. Elaine bringt Betty, die eigentlich nichts auf die Leinwand malen wollte, dazu, ihre zu einer Gefängniszelle vernähten Lippen zu zeichnen, die sie kurzerhand in ein zähnezeigendes Lächeln uminterpretiert. Betty ist nicht überzeugt, fragt Dali, ob er ihr die Ehre erweisen würde, etwas Schönes daraus zu machen, aber er philosophiert nur sinnlos herum. Story of her life.

Weil Elsa sich zu recht beschwert, dass es statt ordentlichem Vodka nur diesen öden Champagner gibt, durchsucht Betty auf eigene Faust die Küche, bis ihr eine Flasche Absinth in die Finger fällt. Damit beglückt sie Elsa, sich selbst, den von seiner üblen Traumreise völlig fertigen Giorgio de Chirico und nimmt noch einen großen Schluck. Von Pierre ist inzwischen keine Spur mehr zu sehen. So eine Überraschung!

Ich finde Paul im Obergeschoss des Gebäudes vor einer geschlossenen Tür. Er lächelt, als er mich sieht und ich lächele zurück. Ich fühle mich deutlich gelöster als bei unserem letzten Gespräch und nehme ihn in den Arm. Wir wissen Beide, dass das, was jetzt geschieht, nicht mehr in unserer Hand liegt und so haben wir jeder für sich unsere eigene Vision von Hoffnung. Ich erzähle ihm, dass, sollte ein Krieg Frankreich erreichen, Dalí und ich nach Amerika gehen werden. Er nickt und ich spüre schon, was er sagen wird, noch ehe er die Worte ausspricht. Traurig sehe ich ihn an, doch weiß ich, dass ich ihn in seinem Entschluss, in Frankreich zu bleiben, nicht umstimmen kann. Auch mit ihm bleibe ich für einen Moment in stillem Zwiegespräch der Blicke stehen, dann gehe ich.

Valentine bringt verbissen einen Sternenhimmel auf die Leinwand, während alle um sie herum auf sie einreden. Desnos versucht sogar, ihre Hand festzuhalten, aber sie reißt sich los, und er will nicht rabiat werden, also lässt er sie machen. Betty meint, ihre Gefühle zu erraten, jetzt wo Breton für sie verloren scheint. Sie ist sich auch sicher, dass keine Worte der Welt ihre Freundin in diesem Augenblick zu erreichen vermögen.

Gala und Betty sitzen auf der Bank neben der Leinwand. Gala sieht nicht mehr so selbstsicher aus und äußert auf Bettys Nachfrage Zweifel, ob sie die richtige Idee hatte. Betty fasst sich ein Herz und gibt zu, dass sie die Séancen und den ganzen Okkultismusfirlefanz schon immer nur mitgemacht hat, um den Leuten nahe zu sein, die ihr wichtig sind, aber jetzt ist Schluss damit. Das war das letzte Mal, dass sie in die Traumlande gegangen ist. Wenn Gala und Valentine wirklich ihre Freundinnen sind, dann gehen sie mit ihr tanzen, aber nicht mehr Karten legen.

Valentine und Desnos sind zurück und haben anscheinend Breton nicht gefunden. Ich weiß immer noch nicht, ob ich darüber froh oder enttäuscht sein soll. Als ich Giorgio allein an einem Tisch stehen sehe, fällt mir ein, dass er, als ich gerade im Gespräch mit Betty war, von seiner albtraumhaften Reise in die Traumlande berichtet hat. Er sieht so aus, als sollte er gerade nicht allein sein, und so geselle ich mich zu ihm. Auch er hat mittlerweile mitbekommen, was ich für Pläne hatte, und ich habe das Gefühl, dass ich ihm um unserer Freundschaft willen erklären sollte, warum ich es getan habe. Auch wenn ich mittlerweile weiß, dass der Weg, den ich genommen habe, der falsche ist, so spüre ich dennoch, dass es richtig war, es zu versuchen. Dass ich es einfach tun musste, es versuchen musste. Und ich sehe in seinem Blick dass er versteht. Dass er es zwar nicht gut heißt, was ich getan habe, aber den Grund dafür versteht. Und das ist im Moment mehr, als ich mir erhofft habe. Noch während wir reden wird plötzlich der Kaffeehausbesitzer sehr laut und wirkt erschrocken, da wohl Kiki von Montparnasse und der Schotte verschwunden sind. Angeblich saßen sie bis gerade eben noch dort und jetzt nicht mehr. Ich und auch Giorgio haben davon nichts mitbekommen und sind uns auch gerade gar nicht mehr sicher, wer der hier Anwesenden nicht unter wie auch immer gearteten Opiumeinflüssen steht.

Wir führen unser Gespräch fort, und es tut gut, sich wieder einmal mit ihm zu unterhalten. Ich spüre wie langsam meine aufgewirbelten Gedanken zur Ruhe kommen. Da tauchen Kiki von Montparnasse und der Schotte auf einmal vor unseren Augen auf, dort wo auch Monsieur Martin sie sitzend in Erinnerung hatte. Die Beiden wirken irritiert über die Fragen nach ihrem Verschwinden, und der Schotte macht Kiki kurzerhand einen Heiratsantrag. Ich blicke mich um, denn die Reaktion von Man Ray darauf wäre nun doch sehr interessant, doch ist dieser auch weiterhin verschollen.

Als Deschamps Elaine seine ewige Liebe gesteht und Dougal Creones, der sich kurz mit Kiki in Luft aufgelöst hatte und nach einiger Zeit an derselben Stelle wieder auftauchte, der Königin vom Montparnasse einen Heiratsantrag macht, läuft das Fass über. Betty geht türenknallend ab.

Dougal Creones ist einer der wenigen, oder besser der Letzte, der noch nichts auf die Leinwand gemalt hat. Er scheint gar nicht groß daran interessiert, beinahe so, als würde er sich dazu herablassen. Das Motiv, das er malt, sieht aus wie der griechische Buchstabe Lambda in Schreibstift, und als er es auf die Leinwand setzt, spürt Desnos etwas wie ein lautloses ‘Plopp’, wie eine Druckwelle ohne Druck, aber nichts geschieht. Robert sieht sich die Leinwand genauer an und stellt fest, dass mehr normale als surrealistische Motive darauf zu sehen sind. Sicher sein kann er sich zwar in diesem Moment noch nicht, aber es scheint, als sei die Welt noch die alte, als habe die Traumwelt nicht auf die reale Welt übergegriffen.

Jetzt, endlich, hat Desnos Zeit, sich wieder Yvonne zu widmen. Aber Yvonne steht bei di Chirico, der den Arm um sie gelegt hat und auch generell sehr vertraut wirkt, ebenso wie sie sich an den Italiener schmiegt.

Desnos ist am Boden zerstört, als er das sieht. Da hat er die unerreichbare Yvonne endlich aufgegeben, als er erkannte, dass seine wahre Yvonne direkt vor ihm steht, nur um auch sie zu verlieren. Dann wird ihm wohl nichts anderes übrig bleiben, als weiterhin traurige Liebesgedichte zu schreiben – aber jetzt an Yvonne Fatine, nicht mehr an Yvonne George.

Noch ehe ich mir weiter Gedanken zu dem Verschwinden und Auftauchen von Personen machen kann, kommt Valentine auf mich zu, Betty wäre gerade am Gehen und wir müssten sie aufhalten. Ich lasse Giorgio mit einem entschuldigendem Blick stehen und folge Valentine. Doch können wir nur noch sehen, wie Betty in ein Taxi steigt, und ich frage mich, ob es nicht tatsächlich eine gute Idee wäre, den Abend zu beenden.

Diesen Gedanken scheinen nun auch andere zu haben, und nach und nach verlassen die Künstler und Kunstliebhaber das Café. Zurück bleibt das Gefühl, die Welt nicht gerettet, aber auch nicht tiefer ins Verderben gestoßen zu haben.

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