Drachenzwinge-Con 2018

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Letztes Jahr habe ich zum ersten Mal an der von der Drachenzwinge regelmäßig veranstalteten DZ-Con teilgenommen. Da mir die Veranstaltung richtig gut gefiel, verstand es sich beinahe von selbst, dass ich (bzw. wir; Knörzbot kam dankenswerterweise auch wieder mit) auch 2018 wieder dabei war/en. Dieses Jahr gab es sogar noch mehr Gelegenheit zum Spielen, weil der 1. Mai, um den herum die Con immer gelegt wird, diesmal auf einen Dienstag fiel und das Wochenende daher mit Brückentag richtig lang wurde.

Donnerstag Abend: Three Sisters

Offiziell begann die Con erst am Freitag, aber einige Teilnehmer kamen bereits am Donnerstag an, und so wurden auch am Donnerstag Abend bereits einige erste Runden gespielt. In unserer eigenen Ferienwohnung leitete Yariloira eine Runde Ratten, was für mich durchaus auch reizvoll gewesen wäre, wenn Flashman nicht zeitgleich einen klassischen Western mit Ubiquity angeboten hätte. Bei Western kann ich nur selten widerstehen, und Ubiquity wollte ich ohnehin schon immer mal kennenlernen.

Für die Runde hatten wir uns alle ambientegerecht herausstaffiert – ich besitze eine braune Bluse mit Stickerei auf den Schultern, die sich zusammen mit einer Weste, Jeans und meinem cowboyartigen Hut ausgezeichnet machte, vor allem, da Knörzbot mir dazu noch seinen 1851 Colt Navy Replica auslieh. Ich sollte den einzigen weiblichen Charakter im vorgefertigten Beziehungsgeflecht spielen: eine Pionierin namens Sally, die bereits für den Pony Express geritten war, sich als Goldsucherin versucht hatte und zuletzt als Rancherin tätig gewesen war, bevor skrupellose Viehbarone ihrem Mann und ihr die Ranch wegbrannten und sie von ihrem Land vertrieben. Sie war also bestens gerüstet für die Suchaktion nach ihrer entführten Cousine, in die das Abenteuer mündete, auch wenn es den einen oder anderen männlichen Charakter gab, der sie als vermeintliche ’schwache Frau‘ nicht mitnehmen wollte.

Apropos Abenteuer: Schon in einer der ersten Szenen kam mir das Setup für die Geschichte irgendwie bekannt vor, und spätestens, als es dann zu der Entführung der Cousine durch Indianer kam, fragte ich Flashman rundheraus, ob er da vielleicht den Film Bone Tomahawk verplottet habe, was Flashman auch unumwunden zugab. Aber keine Sorge, beruhigte er mich, er habe einige gravierende Änderungen gegenüber dem Film eingebaut, ich sollte also problemlos spoilerfrei weiterspielen können. Und so war es auch: Den Grund-Plot des Films hatte der alte Cthulhu-Hase Flashman um einige Elemente aus dem Lovecraft’schen Mythos erweitert, was die Auflösung für mich und den anderen Film-Kenner der Runde neu und überraschend gestaltete. (Aber selbst wenn es der Ursprungs-Plot gewesen wäre, hätte das keinen großen Unterschied für meinen Spaß an der Runde gemacht, glaube ich.)

Bevor im großen Finale drei SCs ihr Leben ließen und neben meinem eigenen Charakter nur ein weiterer SC sowie die entführte NSC-Cousine sich retten konnten, kam es zu einigen spannenden Szenen ebenso wie zu launigem Charakterspiel, weil gerade der Sheriff des Ortes meine Pionierin konsequent ignorierte und sie auch bei einer Nachtwache nicht weckte, als es zu einem Indianerüberfall kam. Dadurch gerieten die drei wachen Charaktere für einen Moment ganz schön in die Bredouille, bis die beiden nicht Geweckten (neben Sally auch ein zugezogener Neuer in der Stadt) vom Kampflärm aufwachten und eingreifen konnten. Auch hinterher, als Sally ihn wegen dieser Borniertheit konfrontierte („Ist ja nett, Mister, dass Sie ’ner Lady ihren Schlaf gönnen wollen und alles, aber nur so für die Zukunft: Finden Sie nicht, es würde Sinn machen, alles Werkzeug zu nutzen, was Sie dabei haben, bevor Sie sich wieder den Hintern mit Pfeilen spicken lassen?“), zeigte er sich erst nicht einsichtig („Ich habe Ihre Meinung gehört, Madam“), aber als es dann an das große Finale ging, kam er dann doch nicht auf die Idee, Sally zu ihrer eigenen Sicherheit zurücklassen zu wollen. Gut für ihn. :)

Freitag Mittag: Chillen, Labern und Explodierende Katzen

Da am Freitag tagsüber die meisten Con-Teilnehmer ankamen, wollte ich mir den Nachmittagsslot nicht mit einer Runde belegen, sondern lieber Leute begrüßen und generell die sozialen Kontakte pflegen. Da das Wetter ausgesprochen gut war, konnten wir draußen in der Nähe des Eingangs sitzen, uns unterhalten und nicht verpassen, wenn wieder jemand eintraf. Dabei spielten wir einige Runden Exploding Kittens, ein höchst amüsantes und knackig-kurzes kleines Kartenspiel (oh. Alliterationen for the win!), bei dem man wie in einer Art MauMau mit Katzen als letzter Spieler überleben muss. Ich selbst machte nur zwei oder drei Runden mit, aber das ganze Wochenende über sah ich das Spiel ständig bei anderen Leuten im Einsatz. Es macht aber auch tatsächlich eine Menge Spaß.

Freitag Abend: Blind-Date-RPG mit Paranoia

Wie schon letztes Jahr, war auch diesmal am Freitag Abend das Blind Date-RPG angesetzt. Bei dieser Veranstaltung, deren Konzept ich sehr genial finde, bereiten einige SLs ein Abenteuer vor, verraten aber nicht, was oder welches System, und bekommen ihre Gruppen dann blind zugelost.

Für mich fiel das Losglück auf ScarSaculs Runde, der letztes Jahr beim Blind Date „The Land of Og“ angeboten hatte. Dieses Jahr hatte er ein Szenario für Paranoia nach einem von ihm selbst entwickelten und super-einfachen kleinen Regelwerk im Gepäck, und nicht nur das. Scar hatte seinen Laptop samt Sprachausgabe-Software dabei, die es ihm erlaubte, Text einzutippen, der dann von der mechanischen Stimme des im Paranoia-Setting allgegenwärtigen „Freund Computer“ vorgelesen wurde, was enorm viel dazu beitrug, das Setting stimmungsvoll zu transportieren. Ein weiterer Teil der Stimmung kam von den in unregelmäßigen Abständen eingeblendeten Aufforderungen zur „Lobpreisung des Computers“, bei der alle Spieler aufstehen und das „Computer unser“ aufsagen mussten. Die Lobpreisung zu verpassen, war ein sofortiger Terminierungsgrund.

Die Session selbst war reiner, wirklich reinster, Klamauk ohne auch nur eine Spur von Ernst. Normalerweise ist das nicht so mein Ding; ich mag Paranoia eigentlich lieber eine Spur ernster im Stile von Brazil, aber ich hatte – wir hatten alle – trotzdem sehr viel Spaß. Es blieb nicht lange dabei, dass nur die feindselige Umwelt und Freund Computer unsere Klone (für alle, die Paranoia nicht kennen: In dem Setting sind die SCs alles Klone, so dass Sterben üblicherweise nur bedeutet, dass der nächste Klon der Serie bereitgestellt wird, häufige Charaktertode also ganz direkt zum Spiel gehören) terminierte, sondern sehr bald begannen wir untereinander ebenfalls damit, einander für kleinste „Vergehen“ – und in der Welt von Paranoia ist so gut wie alles ein Vergehen – zu terminieren. Die settingtypischen Phrasen wie „Glücklichsein ist Pflicht. Sind Sie glücklich, Bürger?“, „Vernunft ist Verrat. Unvernunft macht glücklich“ oder „Essen Sie Nahrungsgel. Nahrungsgel macht glücklich“ waren noch das ganze Wochenende lang unter uns Spielern, die bei der Runde mitgemacht hatten, geflügelte Worte und gern genutzte Begrüßung – um so mehr, als eine Art Kaubonbon-Stäbchen, die zum Naschen auf dem Tisch lagen, schon gleich zu Anfang als „Nahrungsgel“ definiert worden waren und einer Mitspielerin wirklich eine Art Glücksflash verschafften.

In der Session, die sich neben ständig explodierendem Blitziblank-Putzmittel um einen Hilferuf drehte, der erst aus dem Computer kam, dann von diesem aber sofort als Verrat klassifiziert wurde, kamen wir alle zusammen auf sage und schreibe 30 tote Klone… aber meiner war nicht darunter. Zu meiner großen Erheiterung war Klon Timbe-R-WER 1 der einzige SC, der trotz aller Bemühungen des SLs und der Mitspieler nicht ein einziges Mal terminiert warden konnte. Ich legte es gar nicht so unbedingt darauf an, aber dass mein Ursprungsklon tatsächlich bis zum Ende durchhielt, fand ich extrem lustig.

Samstag Morgen und Mittag: Die Bruderschaft der Krabbe

Eigentlich hatte ich ja gedacht, ich könnte die Vormittage gemütlich mit Frühstücken und Unterhalten verbringen, aber am Samstag Morgen überraschte mich BenTaubi, der die Samstags-tagsüber-Runde „Die Bruderschaft der Krabbe“ leiten sollte, damit, dass er schon direkt um 10:00 Uhr anfangen wollte, um uns nicht durch das Abenteuer hetzen zu müssen und trotzdem nicht zu spät damit fertig zu werden. Das war auch genau der richtige Ansatz, denn das Abenteuer wurde ganz, ganz großes Kino und passte vom zeitlichen Ablauf her perfekt.

Gespielt wurde mit Turbo-Fate, und zwar ein düster-beklemmendes Fantasy-Horror-Szenario basierend auf dem gleichnamigen französischen Comic (den von uns Spielern vorher allerdings niemand kannte), in dem eine kleine Gruppe von Kindern sich in einem verstörenden Laborkomplex wiederfindet, wo ihnen allen Krabbenparasiten eingepflanzt wurden, mit deren Hilfe der ultimativ böse „Herr der Krabben“ zum Leben erweckt werden soll, und wo die Kinder verzweifelt um ihr Entkommen und gegen die unmenschlichen Lakaien des Herrn der Krabben kämpfen.

Vom unglaublich stimmungsvollen Intro über das Gimmick der Luftballons, die den einmaligen Einsatz einer Sonderfähigkeit symbolisierten, die sich immer stärker entwickelnde Freundschaft der Kinder und das einen echten Kloß im Hals verursachende Ende: An dieser Runde stimmte einfach so gut wie alles (für mich passte auch Turbo-Fate als verwendetes Regelgerüst, auch wenn einige Mitspieler aus der zweiten Runde, für die Ben dasselbe Abenteuer leitete, das nicht so geeignet fanden und BenTaubi hinterher überlegte, dasselbe Szenario auch mal mit unterschiedlichen anderen Regeln zu leiten), und sie war mein ganz persönliches Treffen-Highlight.

Samstag Abend: Firefly-LIRP

Am Samstag abend gab es ein weiteres Highlight, auf das ich mich sehr gefreut hatte: das LIRP. Diesmal im Setting der Space-Western-Serie „Firefly“ angesiedelt, die ich sehr liebe, und abgehalten unter dem Titel „Freedom Poker Night“, war die Prämisse die eines hoch dotierten Pokerturniers an Bord eines etwas heruntergekommenen Raumschiffs. Die 20 Spielercharaktere setzten sich also zusammen aus der Schiffsbesatzung, den teilnehmenden Pokerspielern (teils reiche Gentlemen, teils abgerissene Cowboys, die das Startgeld irgendwie zusammengekratzt hatten) sowie einigen sonstigen Passagieren.

Das Beziehungsgeflecht der Charaktere war überaus sorgfältig und liebevoll aufgesetzt, und natürlich war nichts, wie es schien, hatten so gut wie alle Charaktere irgendwelche versteckten Motivationen. Ich selbst tatsächlich nicht; mir hatten die SLs die Rolle der Schiffsärztin zugedacht, und mein einziges Spielziel war es, dafür zu sorgen, dass die Crew der Freedom und alle unschuldigen Passagiere sicher und unversehrt auf dem Zielplaneten ankommen würden – plus die Bonusaufgabe, das Herz des ersten Offiziers und Ex-Mannes der Kapitänin zu gewinnen. Aber das gestaltete sich gar nicht so leicht, da sich an Bord zum einen ein Bonnie & Clyde-artiges Gaunerpärchen befand, das mit den Einsätzen abhauen wollte, und zum anderen eine Gruppe von Kaperern, denen das Raumschiff früher gehört hatte, unerkannt an Bord gekommen war, um ihre einstige Shadow Dancer zurückzugewinnen und in diesem Zusammenhang die meisten Mitreisenden eiskalt umzubringen.

Anders als beim Surrealisten-LIRP bei der DZ-Con 2017, wo mein Charakter plötzlich im Zentrum des Geschehens stand, blieb meine Schiffsärztin diesmal eher am Rand und war gar nicht so sehr in die großen Geschehnisse verwickelt. Das machte aber gar nichts, denn auch so bekam ich es mit einem Ohnmachtsanfall zu tun, den ein Gauner vortäuschte, um mit diesem Ablenkungsmanöver seiner Komplizin Zugang zur ansonsten kaum unbewachten bzw. unbemannten Brücke zu verschaffen, versuchte vergebens, das Vertrauen des armen psi-begabten Experimente-Opfers zu erringen, dem mein Arztkittel und meine blauen Latex-Handschuhe verständlicherweise panische Angst einjagten (was ich mir als Spielerin und Kennerin der TV-Serie zwar dachte, als Charakter aber natürlich nicht wissen konnte), ließ mir von einem wohlmeinenden Passagier die Pokerregeln erklären, stellte fest, dass mir Tonic Water mit Cold Brew richtig gut schmeckt, wurde von den Kaperern betäubt und gefesselt, weil ich ihnen im Endstadium ihres Plans im Weg war, und schaffte es tatsächlich im Angesicht des nahenden Todes – Maschinen ausgefallen, Pilot und Mechanikerin von den Kaperern in Rettungskapseln von Bord geschossen, zutreibend auf ein Hochspannungsnetz mit langsam ausgehender Luft – doch noch, dem ersten Offizier meine Liebe zu gestehen, Marke: „Wir haben nur noch 10 bis 15 Minuten, da will ich es dir wenigstens gesagt haben.“

Am Ende starben wir dann aber glücklicherweise doch nicht. In beinaher letzter Minute stellte sich heraus, dass der Allianz-Geheimagent, der als Pokerspieler an Bord gekommen war, um einen berüchtigten Kriegsverbrecher zu fangen (einer der Kaperer, der sich allerdings einer Operation unterzogen hatte und komplett anders aussah als früher), auch ein bisschen pilotieren konnte. Und da im entscheidenden Moment gleich zweimal die bestmögliche Entscheidungskarte „Ja und“ gezogen wurde, brachten wir nicht nur die Maschinen wieder in Gang, sondern konnten auch noch die ganzen abgeschossenen Rettungskapseln wieder einsammeln.
Bonnie & Clyde allerdings nicht; die hatten sich mit dem Preisgeld im Shuttle abgesetzt. Das gönnte ich ihnen allerdings sogar, denn auf diese Weise hatten sie uns tatsächlich das Leben gerettet. Wenn die Kaperer das Shuttle hätten nehmen können, wie deren Plan es eigentlich vorsah, hätten sie nicht auf Rettungskapseln zurückfallen müssen und hätten viel einfacher alle umbringen können. Von daher muss die Crew der Freedom zwar nun wohl mit dem Gesichtsverlust leben, sich das Geld abgeluchst haben zu lassen, aber die Aktion hat die kleine Familie an Bord enger zusammengeschweißt und nicht nur meine Ärztin und ihren Ersten Offizier zusammengebracht, sondern auch die Tochter des Kapitänspaars und den Sicherheitsmann der Crew sich zumindest vorsichtig einander annähern lassen.

Besonders lustig waren die Charakternamen, denn die SLs hatten sich bemüht, allen Charakteren Namen zu geben, die sich irgendwie aus ihren Nicknamen auf der Drachenzwinge herleiten ließen. So wurde zum Beispiel aus DX1 der Passagier „Deacon Swann“, aus Narrenspiel die Companion „Nadine Renspeel“, aus dem SL GilArmor der Croupier-Roboter-NSC „Deal-A-More“, aus Sturmkrähe der Pokerspieler „Stuart Crow“ und so weiter. Mir selbst teilten die SLs für meine Schiffsärztin den Namen „Dr. Timea Where“ zu – ich vermute mal, die Möglichkeit, eine Dr. Where statt eines Dr. Who dabei haben zu können, war einfach zu verlockend.

Mein Lieblingsdialog des Abends – neben Dr. Wheres Liebeserklärung an den 1O im Anschein des nahenden Todes bzw. dem „Bereust du es?“ „Nein. Bereust du es?“ „Ich auch nicht“, als wir gerettet waren – trug sich zu, als meine Ärztin in einer Spielpause mit einem der Gentlemen-Pokerspieler an der Bar stand und gepflegten Smalltalk betrieb, bis ein weiterer Pokerspieler, ein abgehalfterter Cowboy (tatsächlich Clyde, aber das wussten wir zu dem Zeitpunkt natürlich nicht) dazukam.

Ruppiger Cowboy *stürzt einen Drink herunter*: „Boah, dieser Adler [ein reicher Industrieller, der bis dahin bereits das meiste Geld gemacht hatte und später auch das Turnier gewann], der hat mir gerade aber sowas von die Arschbacken aufgerissen –“ *er macht eine Geste des Auseinanderziehens* „– und dann…“ *er ballt eine Faust und schiebt sie nach vorne*
Gentleman-Pokerspieler: „Mister Aubt, es ist eine Lady anwesend!“
Dr. Where: „Mister Aubt, ich bin Ärztin. Ich bin mit der menschlichen Anatomie vertraut. Das bedeutet aber nicht, dass ich die menschliche Anatomie in meiner Konversation thematisiert sehen möchte.“

Herrlich war aber auch der immerwährende Kampf der burschikosen Schiffsmechanikerin mit der Lüftungsanlage, die von dem Gaunerpärchen ständig wieder sabotiert wurde, damit sie ihr Schlafgas leichter einleiten konnten, sowie die Eskapaden des besagten reichen Industriellen, als dessen Produkt der Dealer-Bot sich irgendwann herausstellte, was natürlich zu Betrugsvorwürfen führte.

Alles in allem habe ich den Abend sehr genossen, und vom Highlight-Faktor war er sehr, sehr dicht an der „Bruderschaft der Krabbe“ dran.

Sonntag Mittag und Abend: Call of Cthulhu

Für den Sonntag hatte Iona ein Fertig-Abenteuer für Call of Cthulhu (5. Edition) vorbereitet, das in der Jetztzeit spielt und bereits ganz ausgezeichnete Kritiken erhalten hat: „Ladybug, Ladybug, Fly Away Home“. Bei dem Szenario geht es um die Entführung eines kleinen Mädchens, bei deren Eltern es sich um Angehörige – bzw. beim Vater sogar um den Leiter – einer fundamentalistisch-christlichen Gemeinde handelt. Die Charaktere bilden eine Sonderermittlungseinheit, die das Mädchen schnellstmöglich finden muss, weil die Kleine dringendst auf Medikamente angewiesen ist. Neben einen Ex-Cop-Jetzt-Privatdetektiv, einer FBI-Agentin und einer Profilerin, die auch noch als SCs mit im Team waren, spielte ich eine extern hinzugezogene Religions- und Sozialwissenschaftlerin mit Spezialgebiet „Sekten“. Lustigerweise stellte sich heraus, dass ich bei dem Abenteuer tatsächlich mein RL-Wissen einbringen und die Expertise meines Charakters damit ausspielen konnte, ohne jedes Mal die SL um Hintergrundinfos zu bitten. Das war ein ziemlicher Glücksfall und machte viel Spaß, weil es die Immersion tatsächlich nochmal ein bisschen vertiefte.

Das Szenario selbst ist sehr stimmig und tatsächlich richtig gut – und nicht nur hatte Iona sich akribisch vorbereitet, sondern es gibt von Haus aus bereits eine ganze Menge Handouts und Material zu dem Abenteuer, darunter sogar eine von Fans programmierte „echte“ Website der Kirche, um die es geht. Und wir spielten im Seminarraum des Guts Dankerode, was bedeutete, dass wir ein Flipchart und farbige Marker und all das zur Verfügung hatten bzw. von Iona zur Verfügung gestellt bekamen, was das FBI-Task Force-Feeling auch nochmal verstärkte. Gegen Ende wurde das Szenario auch richtig, richtig fies und beklemmend, und dass nicht alle Charaktere die Sache überlebten und die restlichen Charaktere sich flüchtend nach Mexiko absetzen mussten, war da nur folgerichtig.

Einziger kleiner Wermutstropfen: Das Abenteuer war für einen One-Shot eigentlich ein bisschen zu lang. Wir spielten 11 Stunden daran, von 15:00 bis 03:30 Uhr mit 1 1/2 Stunden Pause für das Abendessen, und dennoch wirkte das Ganze bisweilen ein klein bisschen gehetzt. Vermutlich ist das Szenario für zwei Spielsitzungen besser geeignet, aber das ist auf einer Veranstaltung wie der DZ-Con natürlich nicht gut umzusetzen. Bei der Probesession, die Iona vor einer Weile bereits einmal für andere Spieler geleitet hatte, war das Abenteuer bei selbem Beginn um 15:00 Uhr auch bereits gegen 01:00 Uhr beendet gewesen, so dass Iona hier nicht so den Vergleich hatte. Vielleicht muss ich mich da aber auch ein bisschen an die eigene Nase fassen, weil ich zu Beginn, als es um den Hintergrund der Kirche ging, so glücklich darüber war, dass ich mein Echtwissen einbringen konnte, dass ich wohl etwas zu viel Zeit mit Infodumping verschwendete. Andererseits fand ich es jetzt auch nicht sonderlich schlimm, so lange zu spielen; ich fühlte mich tatsächlich auch um 03:30 morgens noch erstaunlich wach und fit.

Montag Mittag: Better Angels

Für den Montag Mittag hatte ich mich zu einer Runde „Better Angels“ bei Narrenspiel eingetragen. Dabei handelt es sich um ein Superhelden- (oder besser: Superschurken-) Setting von Greg Stoltze für dessen One Roll Engine, bei dem die menschlichen Charaktere ihre Superkräfte dadurch erhalten, dass sie den Gastkörper für einen Engel (bzw. im Falle der Spielercharaktere für einen Dämon) abgeben, der ihnen ihre Kräfte verleiht. Jeder Charakter wird von zwei Leuten verkörpert, da jeder Mitspieler den Dämon für den menschlichen Charakter eines anderen Spielers übernimmt. Die beiden Spieler erstellen auch gemeinsam die Spielwerte für den Charakter: der Spieler des Menschen vergibt Punkte für die „guten“ Eigenschaften, und der Spieler des Dämonen ergänzt die „bösen“ Werte.

In unserem Falle sollten unsere Charaktere alle Bezug zu einer High School haben, der sie irgendwie angehörten, und von Dämonen wussten sie zunächst noch nichts. An menschlichen Charakteren hatten wir den schluffigen Vertrauenslehrer, den Krankenpfleger, der auch mit Drogen dealt, die Helikoptermutter sowie die „Heathers“-artige (tatsächlich ganz direkt von dem Charakter Madison Sinclair aus „Veronica Mars“ inspirierte) Queen Bitch-Schülerin. Nachdem wir die erste Hälfte des Abenteuers ohne Dämonen oder Superkräfte gespielt hatten, kamen diese dann in der zweiten Hälfte der Session ins Spiel. Dabei wurde der schluffige Vertrauenslehrer ergänzt durch „Wir“, einen Insektenschwarm, der ihm einen Panzer und sonstige Insektenfähigkeiten verleiht; der Krankenpfleger hatte ab diesem Moment Qwixl im Ohr, einen koboldartigen Dämon, der unter anderem Dunkelheit verbreitet (mein Vorbild beim Beschreiben: die Imps aus World of Warcraft); die Helikoptermutter muss jetzt „den Herrlichen“ ertragen (oder vielleicht auch anders herum), einen in Samt und Seide gekleideten stolzierenden Popanz mit Ledergesicht, der ihr Hulk-Kräfte verleiht und ihr ständig im Ohr liegt, ihr Verkäuferinnen-Job in einer Boutique sei ihrer nicht angemessen (dieses Gejammer hat die Mutter allerdings bislang stur ignoriert, weswegen der Herrliche bereits Maßnahmen plant); und die Teenie-Bitch hat von „Lux/Luxuria“, einem Succubus, der nach Belieben weibliche oder männliche Gestalt annehmen kann, selbst auch Succubus-Kräfte verliehen bekommen und sich bisher am weitesten auf das Spiel mit dem dämonischen Feuer eingelassen. Ihre Queen-Bitch-Hybris ging sogar soweit, dass sie sich verächtlich über Lux‘ Outfit in männlicher Incubus-Gestalt lustig machte und ihn dazu brachte, statt der hautengen Lackleder-Domina-Klamotten, die Luxuria in weiblicher Form ganz ausgezeichnet stehen, an einem Typen in dem Augen des Mädchens aber unfassbar lächerlich aussehen, durch männliches™ Biker-Leder zu ersetzen.

Die Session war eine derart große Gaudi, dass wir beschlossen, zumindest das derzeitige Szenario zu einem Few-Shot auszuwalzen und es online zuende zu spielen. Ob und inwieweit dann aus dem Few-Shot vielleicht sogar eine kleine Kampagne werden wird, das sehen wir, wenn es soweit ist.

Montag Abend: Itras By

Auf dem Tanelorn-Wintertreffen im Februar hatte ich bereits ein Abenteuer für Itras By geleitet, bei dem die von den Spielern überlegten Charakterkonzepte geradewegs dazu einluden, alle Charaktere miteinander zu verknüpfen und das Abenteuer um diese Charaktere herum zu stricken, statt unverknüpfte Charaktere auf einen anderen, eher zufälligen Plot loszulassen. Beim Tanelorn-Treffen hatten die Spieler im Vorfeld keine Ahnung, dass ich ihre Charaktere derart miteinander verbinden würde und sie alle Teil eines gemeinsamen Hintergrundes waren, und die Überraschung, als das dann im Verlauf des Spieles herauskam, machte für die Gruppe auf dem Tanelorn-Treffen ein Gutteil des Spielspaßes aus, glaube ich.

Für Itras By auf der DZ-Con war ich faul und verwendete dieselben Charaktere mit demselben eng verflochtenen Hintergrund und leitete dasselbe, aus ihnen entstandene Abenteuer einfach nochmal, wobei ich diesmal meinen Mitspielern die fertigen Charaktere zur Auswahl stellte, statt sie sich selbst welche ausdenken zu lassen. Somit fiel das Element der freudigen Überraschung, dass alle Charaktere ineinandergriffen, für die Dankerode-Gruppe weg, weil man bei vorgefertigten Charakteren ja davon ausgehen kann, dass sie miteinander verknüpft sind, aber ich glaube und hoffe dennoch, dass auch die Dankerode-Gruppe Spaß daran hatte, herauszufinden, wie ihre vorgefertigten Charaktere miteinander zusammenhingen, und den zugehörigen Fall zu lösen.

In der Runde gab es zwei kurzfristige Umstellungen: Zwei Mitspieler sagten mir beim Abendessen wegen Müdigkeit bzw. wegen der Notwendigkeit extrem frühen Aufstehens ab, aber glücklicherweise war es kein Problem, zwei schnell entschlossene Einspringwillige zu finden. Eine weitere Mitspielerin entschuldigte sich nach der Hälfte der Session wegen Müdigkeit und Erkältung, aber glücklicherweise fanden wir einen guten ic-Grund für die Abwesenheit des Charakters und konnten das Abenteuer problemlos auch ohne sie zuende spielen.

Fazit

Es war erst meine zweite DZ-Con, aber ich fühle mich bei der Veranstaltung extrem wohl. Die Leute sind sehr nett, aufgeschlossen und zugänglich, und die dort vorherrschende Bereitschaft, sich für Runden in ambientegerechte Kleidung zu werfen, überrascht und begeistert mich immer wieder. Auch das Konzept einer Spielleiter-Versteigerung, bei der SLs sich aufstellen und sich zum Wohle der Serverkasse für eine Runde ersteigern lassen (teils mit mehr oder weniger ausgefallenen Stretch Goals: „Für Betrag X leite ich. Für Betrag Y backe ich einen Kuchen dazu. Für Betrag Z leite ich im rosafarbenen Häschenkostüm!“), finde ich sehr amüsant, und ich hatte mir schon überlegt, ob ich mich nicht für Itras By aufstellen lassen soll (oder Savage Worlds oder Deadlands Classic oder Fate; vielleicht ist Indie-Scheiß™ wie Itras By ja eher ein Stretch Goal?), aber wir machten am Sonntag Vormittag einen ausgedehnten Spaziergang, und als wir zurückkamen, war die Versteigerung gerade vorbei. Aber naja, wer weiß, nächstes Jahr vielleicht. Denn eines ist sicher: Wenn der Kalender es zulässt und nichts dazwischen kommt, dann bin ich beim nächsten Mal, bli’neder, sehr gerne wieder mit dabei.

12 Kommentare

Eingeordnet unter DZ-Con, Indie-RPGs, LIRP, Pen & Paper, Rollenspiel-Sonstiges

12 Antworten zu “Drachenzwinge-Con 2018

  1. Frank

    Hört sich nach einem netten Rollenspielerkurzurlaub an. :)

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  2. Dimiona

    Ein riesiges Danke an meine Schiffsärztin – und dass du mir endlich den Klotz am Bein abgenommen hast 😉

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